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Moonsurfer

Moonsurfer

Titel: Moonsurfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Birck
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Kronen der Dschungelbäume schimmert das schwarze Wasser der düsteren Bucht, umgeben von den tiefen Mangrovenwäldern Captivas. Inmitten dieses natürlichen Hafenbeckens: ein mastenloser Schiffsrumpf, nur durch eine Hängebrücke mit dem Land verbunden. Die Bucht hat nur einen einzigen Ausgang, der zwischen zwei dicht bewaldeten Landzungen liegt und vom Meer aus nicht zu entdecken ist.
    In einem Halbkreis um die Lagune verbinden unzählige Stege Hütten und Lagerhäuser miteinander, die auf Tausenden Stangen wie auf Spinnenbeinen balancieren. Ein Labyrinth.
    Ein Heer von Pfosten bewahrt die klapprige Baumhaus-Stadt davor, beim ersten Windstoß in die Bucht darunter zu kippen oder wie ein Kartenhaus in sich zusammenzufallen. Aus den Baumkronen wachsen Lianen herunter und schwingen in weiten Bögen über die löchrigen Dächer.

    Fackeln werfen zuckende Schatten auf Stufen, Bohlen und Stege. Sie tanzen zu einem irren Orchester, denn aus den Hütten dringen die falschen Töne selbsternannter, vollbusiger Operndiven, begleitet von Fideln, Schifferklavieren und dem Grölen der Betrunkenen. Heruntergekommene wie aufgetakelte, halbnackte und nackte, fette, dürre und halbtote Gestalten rutschen über schiefe Plankenwege. Holzbeine und Krücken poltern. Knarzen, Quietschen, Ächzen, Fluchen und Stöhnen. Manche der Gestalten hängen über morsche Geländer und würgen Rum, Gräten oder faule Zähne in die Tiefe.
    Einer der Halsabschneider durchbricht seine klapprige Reling und stürzt seinem Erbrochenem hinterher, durchschlägt ein Stockwerk tiefer ein splitterndes Holzdeck und verschwindet mit einem lauten Plotsch! im stinkenden Schlick zwischen den Beinen der Mangroven. Aus dem Schlamm ploppt noch ein dumpfes Glucksen, so als habe sich der Sturzbetrunkene mit einem letzten unterirdischen Furz von der Welt verabschiedet.
    Hoch über der mal hängenden, mal balancierenden Stadt schweben kleine Plattformen in den Baumwipfeln, auf denen Wachposten schnarchen. Sogenannte Krähennester, die nur mit Strickleitern zu erreichen sind.
    Tief unten in der dunklen Bucht dümpeln schnelle Schaluppen, ein paar Jollen und ein Kutter, allesamt startbereit.
    Hier regiert der selbsternannte »Gouverneur Gaspar«.
    Wenn seine Wachposten hoch oben in den Baumkronen Beute ankündigen, rutschen die Halsabschneider an eingeölten Stämmen hinunter in den Hafen, springen in ihre wendigen Sloops und schießen hinaus auf das Meer. Ihre Opfer sitzen meist auf einer Untiefe fest oder haben erschöpft Anker geworfen, nachdem sie einem Sturm glücklich entkommen sind.
    Diese oft bis zum Rand mit Handelswaren, Silber und Gold vollbeladenen - meist spanischen - Schiffe werden dann bis auf die letzte Planke geplündert. Den Kommandeuren unter den Schiffbrüchigen werden kurzerhand die Kehlen durchgeschnitten. Matrosen haben immerhin noch die Wahl, entweder überzulaufen, oder mit den Haien Bekanntschaft zu machen. Gefangene Frauen haben mehr oder weniger freiwillige Dienste zu leisten. Nur für diejenigen, die das Glück haben, aus wohlhabenderen Familien zu stammen, wird Lösegeld verlangt.
    Captiva liegt im Land der Kopfjäger: Calusa-Indianer, die nur mit ihren Nachbarstämmen weiter im Norden und mit den Spaniern verfeindet sind, nicht aber mit Gaspar. Der Pirat betreibt sogar einen blühenden Tauschhandel mit den Indianern. Das Reich der Calusa erstreckt sichbis fast hinauf nach Sharkfin-Island, doch ihr Zentrum befindet sich nicht weit von Captiva entfernt: auf einer später »Estero-Island« genannten Insel. Und sie haben wertvolle Ware zu bieten: Gefangene fremder Stämme. Diese Ärmsten werden zunächst in den Kerker von Captiva und dann auf die Sklavenmärkte von Jamaika, Kuba, Hispaniola und Maracaibo geworfen. Von dort aus werden sie in die Zuckerrohr-Plantagen der neuen Länder Englands an der Ostküste Amerikas verkauft, und der Bedarf an Nachschub ist groß.
    Den Kerker für die menschliche Ware Gaspars stellt der Schiffsrumpf im Schlick der brackigen Lagune inmitten von Gaspars Handelszentrum: ein dickbauchiger Dreidecker, der von seinen Masten befreit wurde. Deren Reste stützen das entmannte Schiff nach beiden Seiten ab, damit es nicht in die Kloake kippt. Das Deck des ehemaligen Linienschiffes wurde fast vollständig vom Dschungel zurückerobert, dessen Farne und Schlingpflanzen über die Reling hinauswachsen und in schleimigen Zotteln am moosgrünen Rumpf herunterbaumeln. Austernkolonien wachsen ihnen von unten her entgegen.
    Zwei

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