Moony Witcher - Nina 01 und das Geheimnis der Lagunenstadt
erhalten, wie sie ist, und auf keinen Fall etwas daran zu verändern. Als letzten Willen verfüge ich, dass niemand mich sehen darf wenn ich tot bin. Ich weiß bereits, dass weder Nina noch meine Tochter Vera oder ihr Mann Giacomo anwesend sein werden, wenn ich sterbe Und ich möchte, dass sie mich so in Erinnerung behalten, wie ich im Leben war.
Euer Mischa Michail Mesinski
Der Notar nahm die Brille ab und schloss das Testament. Im Kaminzimmer hätte man eine Stecknadel fallen hören können. Nina hatte die Augen weit aufgerissen, Ljuba die Hände gefaltet, als wollte sie beten, und Carlo saß völlig reglos da.
»Die Villa Espasia ... ganz für mich allein. Ich werde hier leben.
Heiliger Himmel, das kann doch nicht wahr sein!«, rief Nina, der dieser Gedanke durchaus ein wenig Angst machte.
Ljuba stand auf und brachte ihr eine duftende Tasse Früchtetee, den sie ihr zusammen mit einem tröstenden Kuss überreichte. Dann sagte sie: »Du wirst nie allein sein, und ich werde alles tun, damit es dir gut geht. Und bald kommen dich auch deine Eltern besuchen, da bin ich ganz sicher. Sie haben dich lieb und werden den Wunsch des Herrn Professor respektieren, solange sie im FERK sind und sich nicht selbst um dich kümmern können. Dein Opa hat dich bis zu seinem Tod geliebt und wollte stets nur das Beste für dich. Das wissen deine Eltern.«
Nina lauschte Sahnetortes Worten und betrachtete dabei ihr erd- beerrotes Muttermal und den Taldom Lux in ihrer Hand.
Der Stern und dieses Zepter. Zwei wichtige Dinge, die mich mit Opa verbinden, dachte sie. Vielleicht ist es wirklich mein Schicksal, hier zu leben und sein Werk weiterzuführen.
Dann fragte sie plötzlich: »Und was ist mit den Prüfungen? Ich habe nur noch zwei Wochen Zeit. Ich muss unbedingt Professor José Bescheid geben, dass ich nicht nach Madrid zurückkommen werde.«
Die Termine für die Prüfungen der Privatschüler standen schon fest, und Nina wusste nicht, wie sie jetzt noch daran teilnehmen sollte.
»Ich rufe Tante Carmen an«, versuchte Ljuba, Nina zu beruhigen. »Ich werde ihr sagen, sie soll alle Papiere zusammenstellen und schicken, damit du die Prüfung hier in Venedig ablegen kannst. Du wirst schon sehen, das geht ganz leicht.«
Ljuba hakte sich bei Nina ein und begleitete sie zum Dogensaal, in dessen dämmrigem Licht zwei Farben die Einrichtung beherrschten: Flaschengrün und Karminrot. Es gab keine Fenster, und an den sehr hohen Wänden wuchs eine riesige Bibliothek bis an die Decke hinauf, die aus Dutzenden von Regalbrettern voller Bücher bestand. Manche Bücher waren uralt und sehr groß und ihre Umschläge waren mit der Zeit verblasst; andere waren noch neu und dünn und hatten fast alle einen grünen Umschlag. Der Stuhl aus wertvollem Leder mit dem roten Samtkissen, auf dem Opa Mischa immer gesessen hatte, war ein wenig vom Schreibtisch weggerückt.
Auf dem Schreibtisch herrschte Unordnung. Füllfederhalter lagen herum, Bleistifte und Buntstifte, Zeichnungen, Notizbücher und -zettel sowie riesige Hefte ergaben ein ziemliches Durcheinander. Neben dem Schreibtisch befand sich ein Schränkchen aus Nussbaumholz, auf dem eine grüne Porzellanvase stand.
»So, und jetzt hole ich dir die Schlüssel«, sagte Ljuba und steckte ihre Hand in die Vase. »Hier, bitte, sie gehören dir. Verliere sie nicht! Und wenn du einen Rat willst: Ich glaube, du solltest ein anderes Versteck für sie finden, wenn du sie benutzt hast. Eines, von dem niemand etwas weiß.«
»Aber Sahnetorte, was kann ich denn mit diesen Schlüsseln öffnen?«, fragte Nina.
»Das weiß ich nicht. In all den Jahren habe ich deinem Großvater nie Fragen gestellt. Ich habe seine Geheimnisse respektiert. Ich wusste, dass er ein sehr schlauer Mann war, und wollte sein Vertrauen nicht missbrauchen. Das werde ich bei dir auch so halten, meine Kleine.«
»Sahnetorte, vielleicht gehört ja einer der Schlüssel zu der Tür von Opas Labor ...« Nachdenklich betrachtete Nina die beiden Schlüssel in ihrer Hand und ließ sie durch die Finger gleiten.
»Ja, vielleicht. In der Kammer bin ich nie gewesen. Dein Großvater erlaubte niemandem, sie zu betreten. Da war er sehr streng. Wenn er sich dort einschloss, manchmal sogar für Tage, wollte er nicht gestört werden. Um nichts in der Welt!«
Nina und Sahnetorte sahen hinüber zu der kleinen versteckten Tür, die in das Bücherregal eingepasst war. Sie wussten, dass sich dahinter der geheime Ort verbarg, an dem der Großvater seine
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