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Moor

Moor

Titel: Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunther Geltinger
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so manchem Moment, für die große Pleite mit seinem Vater entschädigt.Sie erinnert sich noch, wie sie sich damals geschworen hatte, nie wieder einen Mann in dieses Haus zu holen. Jetzt mustert sie Röcker auf dem Beifahrersitz. Der Junge würde misstrauisch, vielleicht sogar eifersüchtig sein. Also würde sie zunächst ein Essen bereiten, keinen Allestopf, sondern Pommes frites und Steaks vom Grill, den die beiden Männer zusammen anheizen, zur ersten Kontaktaufnahme. Danach würden sie klapperjassen, Dions Lieblingskartenspiel, das aber oft im Streit endet, sogar mit Türenknallen, weil sie im Klapperjass, noch aus der Zeit im Mädchenheim, alle Tricks kennt und meistens gewinnt.
    Heute Abend aber, so formt sich nun vor ihren Augen das Bild von der neuen Familie, wird sie auf begriffsstutzig machen, ganz Frau in der Männerrunde, und sie grinst in sich hinein. Erst würde der Junge, dann Röcker den Sieg davontragen, so dass die beiden sich solidarisieren, sie aber auf ihrem Platz schmollt und Dion sie irgendwann mit dem Fuß antippt und eine Schnute zieht, vielleicht, Part aus seinem Alter-Mann-Spiel, dabei die Lippen einsaugt, ein Versöhnungszeichen, das sie wieder zum Lächeln bringt und die Stimmung so auflockert, dass der Junge, der bisher wortlos dagehockt hat, endlich den Mund aufkriegt, wobei Röcker geduldig auf das Ende der Sätze wartet und nicht betreten wegschaut, wenn Dion beim Erklären der komplizierten Terzfolgen nicht über das entscheidende Wort hinwegkommt, so viel sollte sie von ihm, dem neuen Mann im Haus und Stiefvater des Jungen, erwarten können. Röcker und sie würden am Ende des Abends zu viel Wein getrunken haben, du aber, Dion, um ihr Bild hier aus deiner Sicht zu vervollständigen, hast zwei Flaschen Zitronenlimonade intus und wachst kurz nach dem Einschlafen vom Pinkeldruck auf.
    Aus der offenen Schlafzimmertür fällt ein Lichtkegel auf den Flur. Schatten darin, die sich mit leisem Geraune über Boden und Türrahmen krümmen. Du schiebst dich an der Wand entlang, siehst vor dem hellen Fleck deinen Körper als dünne Säule, die in das Gewirr der anderen ragt. Die drückende Blase jetzt ein brennender Schmerz. Du glaubst, es nicht mehr halten zu können, presst zusammen und spähst ums Eck. In der gleichen Position, sie auf dem Rücken, er mit Hohlkreuz über ihr, halb im Liegestütz, hast du Hannes, Lamberts ältesten Sohn, und Daniela, die Bloch-Tochter aus deiner Klasse, am Teich gesehen, irgendwann im Frühsommer, als du mit einem Marmeladenglas voll frischer Libellenschlupfhüllen den Heimweg antratst. Auch bei Hannes dehnte sich die Unterhose zwischen den Fußknöcheln, auch er stieß diese halbverschluckten, wenig lustvollen, eher kläglichen oder von den zusammengebissenen Zähnen verzerrten Laute aus. Du hast den Kopf vorsichtig aus dem Erlengebüsch gereckt, doch im selben Moment drehte Daniela das Gesicht seitlich ins Gras, während sie ihre Hand auf seinen Rücken schob, hin zum Steißbein, wo nun auch Margas Hand liegt und die Bewegungen des Mannes steuert, der heute in euer Haus gezogen ist. Da bist du schnell runter ins Gestrüpp, doch Daniela hatte dich bereits entdeckt, ließ einen spitzen Schrei fahren und versetzte Hannes einen Stoß, der zurückschreckte, wobei sein eckig wirkendes Geschlecht aus dem Mädchen heraus gegen seinen Bauch schnalzte, wie auch du nun zurückgeschreckt und hochgeschnalzt bist, einer Sprungfeder gleich aus dem Unterholz heraus durch die Binsen auf die Wiese, wo Daniela schon die Jeans hochzerrte und du Spanner! herüberblaffte, doch du bist weiter, in einem Zickzack blitzartig dir in den Leib stechender und dich stachelnder, dir gelb und gefährlich erscheinender Gefühlewie durch ein Gewitter, in das hinein Daniela von drüben die übelsten Beschimpfungen krachen ließ, und mit Blitzen im Bauch und Donner im Kopf bist du nach Hause gestürzt, an Marga vorbei in dein Zimmer aufs Bett und direkt in die Ritze.
    War es nur eine akustische Täuschung gewesen, in Wahrheit das Dröhnen des Blutes in den Ohren oder sogar ein lautgewordener Gedanke? Auf deiner Flucht war dir, als hättest du für einen Moment, zwischen dem Geplärr des Mädchens, die tiefe, ruhige Stimme von Hannes gehört, der etwas zu Daniela sagte, das dich für den Bruchteil einer Sekunde zögern ließ, bevor du über den Graben gesprungen bist, der das feste vom unsicheren Land trennt, wo noch kurz der Hall des Satzfetzens zitterte, der dich in diesem Moment auf eine

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