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Moorehawke 01 - Schattenpfade

Moorehawke 01 - Schattenpfade

Titel: Moorehawke 01 - Schattenpfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kiernan Celine
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blitzten. »Ich sollte nie an ihm zweifeln!« Und dann lachte er wieder sein sattes, glucksendes Razi-Lachen, und Wynter musste ebenfalls lächeln.
    Er nahm ihre Hand, küsste sie und behielt sie in seiner. Grinsend und mit neu gewecktem Interesse beobachtete er das Pferd, sein Gesicht war plötzlich wieder fröhlich, und er verwandelte sich zurück in einen Neunzehnjährigen. Müde wirkte er zwar immer noch, das schon, ermattet von seinen Schmerzen und der Mühsal der vergangenen Tage, doch nicht mehr niedergeschlagen, nicht mehr zermürbt. Seine Verwandlung war so tiefgehend, so vollständig, dass Wynters Zorn auf Christopher augenblicklich verrauchte.
    Sie lehnte den Kopf an Razis Schulter, und obwohl sie eben noch das Bedürfnis gehabt hatte zu reden, schwieg sie. Dies hier war genug – die ganzen beängstigenden Fragen, die sie stellen wollte, die schrecklichen Wahrheiten und Geheimnisse ließ Wynter von den stampfenden Pferdehufen in den Staub treten. Einen kurzen, zerbrechlichen Augenblick lang war sie frei von allen Sorgen.

    So saßen sie still nebeneinander, während sich die Hitze des Tages um sie herum auftürmte, und sahen dem Reitknecht bei der Arbeit mit Razis prächtigem Pferd zu, als wären sie einfach nur ganz normale Geschwister an einem ganz normalen Morgen. Hin und wieder murmelte Razi etwas; Wynter erwiderte etwas darauf und machte gelegentlich ihrerseits eine Bemerkung. Der Knecht rief Razi Fragen zu, der beantwortete sie mit einem Nicken oder ein paar knappen Worten. Am Rande ihres Blickfelds standen die Wachen wie schwarze, reglose Küchenschaben. Von ihrer Anwesenheit abgesehen war es ein Moment vollkommenen Friedens – doch er endete allzu bald.
    Wynter spürte, wie Razi neben ihr erstarrte. Dann erhob er sich langsam. Sie folgte seinem Blick und entdeckte am Rande des überdachten Reitplatzes einen Ratsherrn, der sich außer Sichtweite der Soldaten hielt und Razi durchdringend ansah. Es war Simon de Rochelle, einer der wenigen, die Razi nicht auf den Thron gezwungen hatten. Hinter ihm lauerte ein zerlumpt aussehender Kerl, geschmeidig, sonnengebräunt und unauffällig. Er hatte das steifgeharzte Haar und den Bart eines Comberers aus dem Westland und war von Kopf bis Fuß staubig. Er kommt geradewegs von der Straße , dachte sie. Muss wohl ein Bote sein .
    Jetzt nickte Razi de Rochelle zu, und er und der Fremde schmiegten sich wieder ins Dämmerlicht der Reithalle.
    »Wynter«, murmelte Razi, den Blick immer noch auf Simon und seinen Begleiter gerichtet, »geh und richte Christopher aus, dass ich ihn im nächsten Viertel der Schatten in der Küche treffe. Sag ihm, er soll nicht allein herumstreifen.«
    »Was geht hier vor?«
    Er drehte sich zu ihr um und funkelte sie mit der ganzen Autorität seiner königlichen Abstammung an. Wynter spürte
leise Wut in sich aufflackern, weil er ausgerechnet sie mit diesem Blick bedachte, doch er lenkte nicht ein, und sie senkte die Augen verdrossen zu Boden.
    »Wie gedenkst du, deine Wachhunde abzuschütteln?«, fragte sie.
    Kalt musterte Razi die hünenhaften Soldaten. »Richte es Christopher einfach nur aus. Um den Rest kümmere ich mich schon.«
    Damit wollte er weggehen, doch Wynter hielt seine Hand fest. Sie sollten nicht so feindselig auseinandergehen. Er musste ihr doch noch etwas geben, bevor er ging – was, das wusste sie selbst nicht so genau. Mit feuchten Augen sah sie zu ihm auf.
    Ungeduldig wirbelte er herum, er hatte es eilig. Doch dann bemerkte er den Kummer in ihrer Miene. »Schwester«, flüsterte er zärtlich, legte ihr die Hände auf die Schultern, zögerte. Was konnte er schon sagen? Es gab keinen Trost, keinen Zuspruch, der nicht eine Lüge oder hohle Phrase wäre. Einen Moment lang sahen sie einander in die Augen und wussten nicht, wie sie ihre Gefühle zeigen sollten, ohne furchtbare Wahrheiten ans Licht zu zerren.
    Und dann umarmte Razi sie. Er schlang die Arme um sie, hüllte sie in die Wärme seines Körpers ein, senkte den Kopf, um seine Wange auf ihren Scheitel zu legen. Sie kuschelte sich an ihn, schloss die Augen, atmete seinen Duft ein, diese wohlige Mischung aus Pferd, Sandelholz und sauberem Leinen, und einen winzigen Augenblick lang fühlte sie sich klein, unsichtbar und beschützt.
    »Geh schon«, flüsterte er viel zu bald und küsste sie auf die Stirn. Dann war er fort, Staub umwehte seine Beine, während er den sonnenverbrannten Reitplatz überquerte.
    Die Wachposten wollten ihn begleiten. Ohne sie eines Blickes
zu

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