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Moorseelen

Moorseelen

Titel: Moorseelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Eva Schmidt
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Einsatzfahrzeugen taten es ihm nach. Es war wie im Film, nur wusste ich, dass es kein Happy End gab. Ich hatte mich für die Wahrheit und gegen Zeno entschieden, aber was war der Preis? Sollte ich zurück zu meinem Vater und seiner schwangeren Melanie? Die Gedanken kreisten in meinem Kopf, so unruhig und schnell wie das Blaulicht auf den Wagendächern.
    Und da kamen sie auch schon aus den Gebäuden gelaufen. Irina, Juli, Bidu, Urs, Kali und die anderen. Die meisten trugen Shorts und T-Shirts und waren barfuß. Mit müden, schlafverquollenen Augen blickten sie verwirrt auf die drei Streifenwagen. Um zwei Uhr morgens hatten sie keinen Besuch erwartet, schon gar nicht von der Polizei. Wiesmüller und seine Männer stiegen aus, ich aber war plötzlich gelähmt vor Angst – und schlechtem Gewissen. Ich war dabei, meinen ehemaligen Mitbewohnern alles kaputtzumachen. Zusammengekauert beobachtete ich vom Rücksitz aus, wie Wiesmüller auf die Kommunenbewohner zuging, die sich dicht zusammendrängten wie eine Schar Hühner, die Schutz vor dem Fuchs suchte. Langsam und lautlos kurbelte ich das Fenster herunter und war froh, dass das Einsatzfahrzeug schon ein paar Jahre auf dem Buckel und daher keinen automatisch-surrenden Fensterheber hatte. Jetzt konnte ich hören, was Wiesmüller sagte.
    »Wir haben ein paar Fragen an Sie. Erstens: Wir haben im Wald ein verletztes Mädchen gefunden, Aryana.« Ich sah, wie ein Raunen durch die Versammelten ging. Bidu, Kali, Irina und die anderen tauschten erschrockene Blicke, aber niemand sagte etwas. »Zweitens: Befindet sich ein gewisser Nick Brandstätter unter Ihnen?«, fuhr Wiesmüller ungerührt fort. Wieder Blickwechsel, ehe Bidu sich zu Wort meldete.
    »Kennen wir nicht«, log er. Von wegen, dachte ich grimmig. Zeno fehlte, aber das wunderte mich nicht, bestimmt schlief der immer noch tief und fest. Doch zu meiner Überraschung öffnete sich wie aufs Stichwort die Tür zu Devas Behausung und heraus trat Zeno, der Devas Rollstuhl schob. Ich zuckte so heftig zusammen, als stünde der Rücksitz unter Starkstrom. Wieso war Deva hier und Zeno wach? Hatte Aryana Alarm geschlagen, ehe sie mir in den Wald gefolgt war? Wer hatte Deva aus Potsdam abgeholt? Zeno war ja wohl kaum fahrtüchtig. Kurz schoss mir durch den Kopf, was ich für ein Glück gehabt hatte, dass ich nicht auf der Straße nach Burg entdeckt worden war. Zeno wirkte nicht einmal benommen. Hatte das Schlafmittel seine Wirkung verfehlt? Aber das konnte nicht sein, ich hatte selbst überprüft, dass er noch vor wenigen Stunden nicht wach zu bekommen war! Vielleicht würde ich auf diese Fragen nie eine Antwort bekommen.
    Tief in den Sitz gekauert beobachtete ich, wie sich Mutter und Sohn gelassen auf die Versammlung zubewegten, so als wären Wiesmüller und seine Kollegen mal eben auf eine Tasse Tee und ein Schwätzchen vorbeigekommen. Was sie sagten, konnte ich nicht hören, aber Devas Gesicht blieb vollkommen ruhig, während Zeno und sie leise mit den Beamten sprachen.
    Aus dem Augenwinkel nahm ich eine Bewegung wahr. Es war Lukas, der soeben aus der Tür von Devas Haus huschte und sich möglichst unauffällig zu den anderen gesellte. Trotzdem konnte ich sehen, wie Zeno einen Millimeter den Kopf zu ihm wandte und Lukas daraufhin kurz nickte. Zeno ließ sich nichts anmerken, aber sein Gesichtsausdruck erschien mir zufrieden.
    Wiesmüller war offenbar nicht gewillt, weiterhin herumzustehen und zu plaudern, denn er machte eine ungeduldige Handbewegung und seine Stimme wurde laut. »Ich möchte jetzt sofort mit Nick Brandstätter reden, oder hier werden andere Saiten aufgezogen«, donnerte er.
    Ich ballte die Hände zu Fäusten und starrte angespannt nach draußen. War Nick überhaupt noch in der Oase? Im selben Augenblick fiel mir auf, dass noch einer fehlte: Urs. Ich hatte seine große, plumpe Gestalt noch nirgends entdeckt. Ob er getürmt war, als er die Polizeiautos gesehen hatte? Oder – und jetzt wurde mir vor Angst eiskalt – hatte er Nick etwas angetan und versuchte jetzt, ihn verschwinden zu lassen wie damals Mia? Ohne nachzudenken riss ich am Türgriff und schoss aus dem Polizeiauto. Atemlos baute ich mich vor Zeno auf. »Wo ist Nick?«, fauchte ich. Falls die beiden über mein Auftauchen überrascht waren, ließen sie sich das nicht anmerken. Zeno trat nur einen kleinen Schritt zurück und musterte mich wie etwas Glibberiges, das er gerade aus einer Pfütze gefischt hatte.
    »Das hätte ich mir ja denken können«,

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