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Moorseelen

Moorseelen

Titel: Moorseelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Eva Schmidt
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jetzt rächen? Ich schlug die Hände vors Gesicht. In meinem Kopf herrschte durch den Schock vollkommene Leere. Durch einen Spalt zwischen meinen Fingern spähte ich zu den Kommunenbewohnern hinüber, die immer noch auf dem freien Platz herumstanden. Zeno stand mit dem Rücken zu mir und redete leise mit Deva. Die Übrigen schwiegen, sahen aber immer wieder zu mir herüber. Auf Kalis Gesicht lag ein Ausdruck kalten Triumphs, doch die Mienen von Juli und Lukas wirkten besorgt. Steckten sie alle unter einer Decke? Wo hatte Urs Nick versteckt, wenn die Beamten die Gebäude durchsucht hatten? Und Deva? Wusste sie von Nick? Vielleicht hatte Urs sie ja mit dem Bus aus Potsdam abgeholt und ihr auf der Fahrt alles erzählt …
    Auf einmal hatte ich das Bild vor Augen, wie Zeno den Bus damals in dem Schuppen etwas abseits der Oase geparkt hatte, und mir kam eine Idee.
    »Los, kommen Sie«, rief ich Wiesmüller zu und lief, ohne seine Antwort abzuwarten, los. »He, Moment mal …«, rief eine Stimme, doch ich ignorierte sie. Plötzlich spürte ich einen festen Griff an meinem Oberarm, was meinen Lauf abrupt bremste. Ich wirbelte herum und blickte direkt in Zenos versteinerte Miene.
    »Du bleibst schön hier. Ich erlaube nicht, dass du weiter Unfrieden in unsere Kommune bringst«, sagte er. Jegliches Gefühl war aus seinen braunen Augen verschwunden. Mit eisigem Blick fixierte er mich. Aber es machte mir nichts aus. Nicht mehr.
    »Unfrieden?«, echote ich spöttisch. »Du meinst wohl Aufklärung. Vielleicht fällt die Polizei darauf rein, dass deine Mutter ihren Arztkittel rausholt und hier einen auf Sigmund Freud macht, aber ich werde beweisen, dass Deva und du mit eurer Gehirnwäsche und dem Gerede von ›Gemeinschaft‹ Aryana so weit gebracht habt, jemanden umzubringen.«
    Zenos makellose Zähne blitzten im Mondlicht, als er spöttisch auflachte. »Du bist verrückt«, sagte er ruhig. »Aber ich bin mir sicher, dein Vater wird dich irgendwo unterbringen, wo man dir helfen kann. Seit dem Tod deiner Mutter bist du offenbar nicht mehr zurechnungsfähig. Du hast mir selbst erzählt, wie du die Freundin deines Vaters die Treppe hinunterstoßen wolltest«, fügte er hinzu und grinste hämisch.
    Eine Stichflamme der Wut schoss in mir hoch und ich riss meinen Arm so heftig aus Zenos Griff, dass er überrumpelt einen Schritt zurücktaumelte. Ohne Zögern rannte ich wieder los, direkt auf den Schuppen zu, in dem der uralte VW -Bus geparkt war. »Halten Sie sie auf«, hörte ich Deva hinter meinem Rücken rufen. Schwere Schritte polterten mir nach, aber ich hatte bereits die Tür des Schuppens erreicht und riss sie auf. Doch meine tastenden Finger fanden keinen Lichtschalter. Es herrschte die totale Finsternis. »Nick«, brüllte ich. Doch es war nichts zu hören. Hektisch rannte ich auf den Bus zu und rüttelte an der rückwärtigen Tür. Konnte ich mich wirklich so getäuscht haben?
    Da langte Wiesmüller außer Atem mit seinen Beamten an, gefolgt von Zeno, Kali und ein paar anderen. »Junge Frau, Sie kommen jetzt auf der Stelle mit«, donnerte der Polizist. Jetzt siezte er mich auf einmal. Zwei seiner Leute hatten ihre Taschenlampen gezückt und machten einen drohenden Schritt auf mich zu, da fiel mir der Kofferraum ein. Ich ertastete den Hebel und die Klappe schwang auf. Da waren auch schon die zwei Polizisten neben mir und fassten mich energisch an den Oberarmen.
    »So, jetzt ist aber Schluss«, sagte der eine, als ein Ächzen zu vernehmen war. Doch es stammte weder von den Beamten noch von mir, sondern kam aus dem Kofferraum. Verblüfft lösten die zwei Polizisten ihren Griff und tauschten einen Blick.
    »Was hab ich gesagt? Nick ist hier«, schrie ich sie an. Wiesmüller erwachte aus seiner Erstarrung und der fahle Lichtkegel seiner Taschenlampe durchschnitt die Dunkelheit und fiel ins Innere des Kofferraums. Ein Paar Füße, die in Turnschuhen stecken, wurden sichtbar, dann jeansbekleidete Beine …
    »Nick«, schrie ich und zwängte mich an Wiesmüller vorbei. Mein Mitschüler lag säuberlich verschnürt auf der Ladefläche und blinzelte wie eine verwirrte Eule ins Licht.
    »Feline?«, fragte er mit schwerer Zunge und klang wie jemand, der auf einer Feier ein paar Cocktails zu viel erwischt hat. Doch das getrocknete Blut an seiner Schläfe bezeugte, dass er alles andere als Partyspaß gehabt hatte. Ich kniete mich neben ihn und lächelte ihn an, obwohl mir gleichzeitig die Tränen in die Augen schossen.
    »Alles wird gut«,

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