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Moorseelen

Moorseelen

Titel: Moorseelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Eva Schmidt
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Zenos Heiß-Kalt-Bäder, der Kuss … Ich musste raus. Ziellos lief ich los. Zuerst an dem kleinen Flussarm entlang, der das Grundstück der Oase säumte, dann überquerte ich eine kleine Brücke über eins der Fließe, bis ich an eine große Wiese kam. Ich fiel in einen lockeren Trab und genoss einfach den warmen Sommerwind und das ungewohnte Gefühl der Freiheit. Beschwingt trabte ich einen schmalen Waldweg entlang, bis mein Blick auf Schilfhalme fiel, die ein paar Meter weiter weg standen und einen kleinen See säumten. Neugierig kam ich näher. Auf der Oberfläche tanzten Sonnenflecken, und das Moorwasser hatte den kupferbraunen Schimmer von Zenos Augen.
    Auf einmal überkam mich unbändige Lust zu schwimmen. Nachdem ich mich noch einmal umgesehen hatte, ob niemand in der Nähe war, streifte ich hastig Turnschuhe, die knielangen Shorts und mein T-Shirt ab, bis ich nur noch in Panty und BH dastand. Mit bloßen Füßen tastete ich mich langsam zum flach abfallenden Uferbereich vor. Das Wasser war überraschend warm und fühlte sich angenehm seidig auf meinen nackten Waden an. Dann aber änderte sich auf einmal die Beschaffenheit des Untergrundes. Weicher Schlamm quoll zwischen meinen Zehen hervor und ich hatte ein Gefühl, in Schlagsahne zu waten. Bei jedem Schritt sank ich ein Stück ein. Nicht tief, nur so, dass der Boden mich in einer trügerischen Sicherheit wiegte, mich aber vielleicht doch hinabziehen würde in seine moorige Tiefe, aus der es kein Entkommen gab. Mir wurde das unheimlich, also warf ich mich mit Schwung nach vorne und begann, mit kraftvollen Zügen zu schwimmen. Das Wasser war warm und weich wie Seide.
    Nachdem ich die Mitte des Sees erreicht hatte, legte ich mich auf den Rücken und ließ mich treiben. Träge paddelte ich mit den Füßen im angenehm lauen Wasser und sah in den Himmel, wo ein paar hauchzarte Wolken am ritterspornblauen Himmel entlangzogen. In meinen Wimpern hatten sich ein paar Wassertropfen verfangen und das gleißende Sonnenlicht brach sich als Prisma in unzähligen Strahlen. Ich erlaubte mir, etwas von Zeno zu träumen. Was wohl zwischen ihm und mir passiert wäre, wenn Nick nicht plötzlich in der Oase aufgetaucht wäre? Immerhin hatte Zeno mich geküsst und alleine sprechen wollen. Ob Zeno dort weitergemacht hätte, wo er nach dem Kuss aufgehört hatte? Ich seufzte unwillkürlich voller Sehnsucht. Gerne hätte ich ihn in diesem Moment neben mir gehabt. Bei der Erinnerung, wie lässig er vorhin mit seinem halb offenen Hemd im Garten ausgesehen hatte, musste ich schlucken. Bestimmt hätte ich beim Schwimmen noch mehr von seinem durchtrainierten Körper zu sehen bekommen. Das Blut schoss mir in die Wangen und ich vergaß, Wasser zu treten. Prompt sank ich wie ein Stein. Braunes Moorwasser drang mir in die Augen, und weil ich reflexartig nach Luft schnappte, nahm ich einen ordentlichen, wenn auch unfreiwilligen Schluck von der Brühe. Strampelnd und spuckend wie ein halb ersäufter Pudel kam ich wieder an die Oberfläche. Zum Glück war niemand da, der meine kleine Slapsticknummer beobachtet hatte.
    Gerade wollte ich zurückschwimmen, da spürte ich eine sanfte, kaum wahrnehmbare Berührung an der Hüfte. Es war nur ein kleines, neckisches Antippen, wie eine Aufforderung zum Fangenspielen. Eine kurze, irrationale Sekunde lang glaubte ich, es wäre tatsächlich Zeno, der sich aus meiner Fantasie materialisiert hätte. Gleich darauf wurde mir bewusst, wie unsinnig dieser Gedanke war. Wahrscheinlich hatte mich eine der Seerosen oder Wasserpflanzen gestreift, die in solchen Biotopen wuchsen und die Schwimmer gerne mal erschreckten, weil sie mit langen, glitschigen Fingern nach ihnen zu greifen schienen. Wie in den Märchen von Nixen und Wassermännern. Als Kind hatte mir mein inzwischen verstorbener Großvater vom Nöck erzählt, dem Wassergeist, der in Seen und Tümpeln wohnen soll. Ehe man ins Wasser ging, musste man den Spruch aufsagen:
»Nöck, Nöck, Nadeldieb, du bist im Wasser, ich bin an Land«
, damit er einen nicht packte und in sein nasses Reich hinabzog. Bei der Erinnerung an diese Fabel durchrieselte es mich kalt. Ich hatte den Bannspruch nicht gesagt und war ins Wasser gegangen. Trotzdem ließ mir die Neugierde keine Ruhe. Ohne es zu wollen, schwamm ich mit einem energischen Schlag meiner Beine an die Stelle zurück, wo ich die Berührung gespürt hatte. Ich wollte mich versichern, dass es wirklich nur eine Seerose oder Schlingpflanze gewesen war.
    Energisch

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