Moorseelen
wie ein dünnes, scharfes Skalpell durch mein Inneres. Ich bemühte mich, den Schmerz nicht an mich heranzulassen, trotzdem hörte ich gebannt zu, als Zeno fortfuhr.
»In der Oase hast du ein neues Zuhause gefunden, aber Mia hat dich ebenfalls gekränkt. Daher hat sich am See deine ganze aufgestaute Wut entladen. Du warst erschöpft und aufgebracht – da dachtest du, Mia wäre tot und dein Wunsch, sie möge verschwinden, hätte sich bewahrheitet. Natürlich hat dir das Angst gemacht. Aber jetzt musst du dich vor nichts mehr fürchten.«
Ich wollte ihm so gerne glauben. Gleichzeitig aber waren da immer noch Zweifel. Doch Zeno wischte sie mit seinen nächsten Worten weg.
»Dein Puls ist jetzt ganz ruhig und gleichmäßig«, informierte er mich. »Das zeigt, dass du die Wahrheit erkannt hast. Mia, die angebliche Tote, war eine Projektion deiner Fantasie. Du warst dabei, deine Vergangenheit abzustreifen. Verstehst du? Die Illusion ist oft unsere letzte Prüfung, ehe es uns tatsächlich gelingt, frei zu werden.«
Jedes seiner Worte war wie eine betäubende Salbe für meine wunde Seele. Ich hatte das Gefühl, mein breites Grinsen reichte von hier bis zur Töpferwerkstatt. Auch Zeno lächelte und nahm meine beiden Hände fest in seine.
»Es ist vorbei, Feline. Vertrau mir!«, insistierte er.
Ich nickte und blickte ihn an. Ich war ihm so dankbar, weil er mich von diesem Albtraum befreit hatte. Am liebsten hätte ich die Arme um seinen Hals gelegt, aber ich traute mich nicht. Zeno schien meine Gefühle zu erahnen, denn er sah mir tief in die Augen. »Ich glaube, du wirst heute Nacht wunderschöne Träume haben«, flüsterte er, den Mund nahe an meinem Ohr.
Ein champagnerähnliches Prickeln durchlief mich. »Wenn du darin vorkommst, dann schon«, flüsterte ich.
Er sah mich einen Augenblick schweigend an. Dann berührte er federzart mit den Lippen meine Stirn, die Wange. Dann ließ er seine Fingerspitzen hinunter zu meinem Hals wandern. Nun war ich vollends aus dem Konzept. Eine innere Stimme sagte mir, dass ich das lieber nicht fühlen sollte. Dass ich mich vielleicht auf etwas einließ, das zu plötzlich kam … Aber Zenos warme Finger hatten inzwischen mein Schlüsselbein erreicht. Meine Haut brannte, er schien dort glühende Abdrücke zu hinterlassen. Doch ich stand festgebannt und wünschte, die Zeit würde stehen bleiben. Mit den Fingerkuppen fuhr Zeno nun die Konturen meiner Schlüsselbeinknochen entlang und ich hörte meinen Atem schneller werden. Sein Mund war nur eine Kussweite von mir entfernt und meine Arme legten sich ganz von selbst um seinen Hals. Als er den Kopf neigte, um mich zu küssen, vergaß ich meine Zweifel, vergaß Mias starre Augen dort unten im See … Zeno zog mich an sich, seine Hände glitten über meine Schultern, meinen Rücken hinunter … Ich presste meinen Mund auf seinen und fuhr mit meiner Zunge über den feuchten Schweißfilm auf seiner Oberlippe. Er stöhnte auf. Mit unerwarteter Kraft hob er mich hoch und so, die Beine um ihn geschlungen, trug er mich in das Zimmer, in dem ich zwei Nächte lang geschlafen hatte. Allein. Jetzt aber war Zeno neben mir, so dicht, dass ich das Heben und Senken seines Bauches beim Atemholen spüren konnte. Seine Hände schienen überall gleichzeitig zu sein, und ehe ich mich’s versah, spürte ich seine nackte Brust an meiner und seine Finger, die nicht mehr brannten, sondern kühle Spuren über meine erhitzte Haut zogen. Kurz erhaschte ich einen Blick auf etwas Dunkles, Längliches, das auf seiner Schulter prangte. Als ich den Kopf leicht anhob, erkannte ich, dass es eine Tätowierung war – ein kleiner Delfin, das Symbol der Oase. Ich strich darüber, dann seinen Rücken hinunter und grub meine Fingerkuppen leicht in die Wölbung, wo der Bund seiner Jeans anfing. Zeno drehte sich auf den Rücken, ich hörte das Geräusch eines Reißverschlusses und plötzlich war er über mir. Ich wollte ihn stoppen und ihm sagen, er solle noch warten. Dass ich noch nicht so weit war und mir alles zu schnell ging. Aber da küsste er mich erneut und verschloss mir mit seinen Lippen den Mund, als wollte er allen Widerstand aus mir heraussaugen. Und dann fühlte ich etwas, das neu war, ungewohnt, und auch ein bisschen wehtat. Ich sog scharf die Luft ein, Zenos Mund noch auf meinem. Der Schmerz ließ nach und dann atmeten wir gemeinsam ineinander, es fühlte sich an wie Helium in einem Ballon, das meinen Verstand ganz leicht werden ließ …
Als Zeno sich von mir
Weitere Kostenlose Bücher