MoR 01 - Die Macht und die Liebe
Händen greifen, denn schließlich sieht keiner es gern, wenn sich jemand mit Geld davonmacht, das als Gemeinbesitz gilt. Vor allem, wenn es um so viel Geld geht.
Norbanus war entschlossen, den Prozeß zu Ende zu bringen, ungeachtet der allgemeinen Erregung, der Schlägereien und des Chaos, das ausbrach, wenn die politisch interessierten Besucher der Versammlung auf die Massen stießen, die nur gekommen waren, um Caepio ihren Haß entgegenzuschreien. Caepio stand auf der rostra , umgeben von Liktoren, die ihn nicht festhalten, sondern beschützen sollten. Die Patrizier unter den Senatoren, die aufgrund ihres Ranges nicht an der Versammlung der Plebs teilnehmen durften, hatten sich auf den Stufen der curia hostilia eingefunden und beschimpften Norbanus, bis ein Teil der Menge begann, mit Steinen auf sie zu werfen. Scaurus sackte mit einer blutenden Kopfwunde bewußtlos zusammen. Norbanus ließ sich auch dadurch nicht aufhalten und setzte den Prozeß fort, ohne sich zu erkundigen, ob der Senatsvorsitzende tot war oder nur bewußtlos.
Die eigentliche Abstimmung ging schnell über die Bühne. Die ersten achtzehn der fünfunddreißig Tribus befanden Quintus Servilius Caepio einmütig für schuldig, die anderen Tribus brauchten deshalb gar nicht mehr abzustimmen. Ermutigt durch diese einmalige Demonstration des Hasses auf Caepio forderte Norbanus die Versammlung der Plebs auf, über die Strafe abzustimmen - eine so harte Strafe, daß die anwesenden Senatoren in wütendem Protest aufheulten. Wieder stimmten die durch das Los ausgewählten ersten achtzehn Tribus übereinstimmend für die schreckliche Strafe. Caepio verlor das Bürgerrecht, ihm wurden innerhalb von achthundert Meilen im Umkreis von Rom Wasser und Feuer verboten, er mußte fünfzehntausend Talente Gold zahlen und die Tage bis zum Beginn seiner Verbannung in einer bewachten Zelle der Lautumiae verbringen. Dort sollte er mit niemandem sprechen dürfen, nicht einmal mit Familienangehörigen.
Als Quintus Servilius Caepio, vormals römischer Bürger, in Begleitung der Liktoren die kurze Entfernung vom Comitium zu den schäbigen Zellen der Lautumiae zurücklegte, reckten sich ihm drohend Fäuste entgegen, und empörte Römer brüllten triumphierend, daß er jetzt keine Gelegenheit mehr haben werde, seine Makler und Bankiers zu konsultieren oder persönliches Vermögen zu vergraben.
Die Menge zerstreute sich langsam, zutiefst befriedigt über den Ausgang dieses aufregenden und ungewöhnlichen Tages, und auf dem Forum Romanum blieben nur einige wenige Männer zurück, die alle Senatoren waren.
Die zehn Tribunen standen in Gruppen zusammen. Lucius Cotta, Titus Didius, Marcus Baebius und Lucius Antistius Reginus starrten sich düster an, die vier Männer von der Mitte der Tribunenbank sahen hilflos von links nach rechts, nur Gaius Norbanus und Lucius Appuleius Saturninus waren bester Laune und unterhielten sich unter viel Gelächter mit Gaius Servilius Glaucia, der zu ihnen getreten war, um ihnen zu gratulieren. Keiner der zehn Tribunen trug noch seine Toga, die Kleidungsstücke waren ihnen im Getümmel vom Leib gerissen worden.
Marcus Aemilius Scaurus saß mit dem Rücken an den Sockel einer Statue des Scipio Africanus gelehnt, während Metellus Numidicus und zwei Sklaven versuchten, das Blut zu stillen, das aus einer Platzwunde an seiner Schläfe strömte. Crassus Orator und sein Busenfreund und Vetter Quintus Mucius Scaevola standen verdattert daneben. Der junge Drusus und der junge Caepio verharrten wie angewurzelt auf der Treppe vor der Curia, zusammen mit Drusus’ Onkel Publius Rutilius Rufus und Marcus Aurelius Cotta. Konsul Lucius Aurelius Orestes, auch in seinen besten Zeiten nicht mit einem stabilen Nervenkostüm gesegnet, lag in voller Länge auf dem Vorplatz und wurde von einem aufgeregten Prätor versorgt.
Plötzlich knickte Caepio um und sank gegen den bleichen Drusus, der einen Arm um ihn gelegt hatte. Rutilius Rufus und Cotta griffen dem jungen Mann rasch unter die Arme und stützten ihn.
»Was können wir für euch tun?« fragte Cotta. Drusus schüttelte den Kopf, so erschüttert, daß er kein Wort herausbrachte. Caepio schien Cotta gar nicht zu hören. »Hat jemand Liktoren zum Haus von Quintus Servilius Caepio geschickt, damit sie es vor der Menge schützen?« fragte Rutilius Rufus.
»Ja, ich«, brachte Drusus heraus.
»Und die Frau des Jungen?« fragte Cotta mit einem Kopfnicken auf Caepio.
»Ich habe sie und das Baby zu mir bringen
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