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MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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Teil von mir Vater lieben, da er mir ja geholfen hat, dich und Lilla zu machen.«
    Ein abschätziger Ausdruck machte sich auf Servilias Gesicht breit. »Also wirklich, Mama. Du bist so dumm! Zuerst sagst du, du kannst Vater nicht leiden, und dann sagst du, du liebst ihn. Das ist doch Quatsch!«
    »Nein, das ist nur menschlich, Servilia. Lieben und Mögen sind zwei ganz verschiedene Gefühle.«
    »Aber ich möchte den Mann, den mein Vater für mich aussucht, mögen und lieben«, erklärte Servilia in überlegenem Ton.
    »Ich hoffe, dein Wunsch geht in Erfüllung.« Livia Drusa versuchte, dem unangenehmen Gespräch eine andere Wendung zu geben: »Jetzt bin ich sehr glücklich. Weißt du auch, warum?«
    Servilia überlegte und neigte dabei den schwarzen Kopf auf eine Seite. Dann schüttelte sie ihn und nickte gleichzeitig. »Ich weiß warum, aber ich weiß nicht, warum das so ist. Du bist glücklich, weil du hier an diesem gräßlichen Ort lebst und weil du ein Baby bekommst.« Ihre schwarzen Augen funkelten. »Und... weil du einen Freund hast.«
    Auf Livia Drusas Gesicht erschien eine so schreckliche Angst, ein so gequälter Ausdruck, daß Servilia in plötzlicher Überraschung und Aufregung erschauerte. Dabei hatte das Kind überhaupt keinen wirklichen Verdacht, sondern einfach instinktiv drauflosgeredet, aus der schmerzlichen Erfahrung, daß es selbst keinen Freund hatte.
    »Natürlich habe ich einen Freund!« rief ihre Mutter aus, und plötzlich war alle Angst aus ihrem Gesicht verschwunden. Sie lächelte. »Er spricht aus meinem Bauch mit mir.«
    »Mein Freund wird er jedenfalls nicht«, sagte Servilia.
    »Aber Servilia, sag doch sowas nicht! Er wird dein bester Freund werden. So ist das mit Brüdern immer, glaube mir.«
    »Onkel Marcus ist dein Bruder, aber er hat dich gezwungen, meinen Vater zu heiraten, wo du ihn doch überhaupt nicht gern hattest.«
    »Deshalb ist er trotzdem mein Freund. Brüder und Schwestern wachsen zusammen auf. Sie kennen sich besser als alle anderen Menschen und deshalb lernen sie, einander zu mögen«, sagte Livia Drusa bewegt.
    »Man kann nicht lernen, jemanden zu mögen, den man nicht mag.«
    »Das stimmt nicht. Man kann schon, wenn man nur will.«
    Servilia machte ein abschätziges Geräusch. »Dann hättest du ja auch lernen können, Vater gern zu haben.«
    »Aber er ist doch nicht mein Bruder!« Entnervt fragte Livia Drnsa sich, wo das noch hinführen sollte. Warum war dieses Kind so widerspenstig, so hartherzig und gefühllos? Sie war eben die Tochter ihres Vaters. Sie war ganz der Vater! Nur viel klüger und verschlagener.
    »Porcella, ich wünsche mir nur eins: daß du glücklich bist. Und ich werde es nie zulassen, daß dein Vater dich mit jemandem verheiratet, den du nicht magst.«
    »Vielleicht bist du gar nicht mehr da, wenn ich heirate.«
    »Warum denn nicht?«
    »Deine Mutter war doch auch nicht da, oder?«
    »Das ist doch etwas ganz anderes«, sagte Livia Drusa traurig. »Meine Mutter ist übrigens gar nicht tot.«
    »Das weiß ich. Sie lebt bei Onkel Mamercus, aber wir sprechen nicht mit ihr. Sie ist ein loses Frauenzimmer.«
    »Wer hat dir denn das gesagt?«
    »Vater.«
    »Du weißt doch nicht einmal, was ein loses Frauenzimmer ist.«
    »Weiß ich doch — eine Frau, die vergißt, daß sie Patrizierin ist.«
    Livia Drusa mußte ein Lächeln unterdrücken. »Eine interessante Definition, Servilia. Glaubst du denn, daß du nie vergessen wirst, daß du eine Patrizierin bist?«
    »Nein, nie!« rief das Kind wütend. »Ich werde genau so werden, wie mein Vater es sich wünscht.«
    »Ich wußte gar nicht, daß du dich mit deinem Vater so viel unterhältst!«
    »Wir haben uns oft miteinander unterhalten«, protestierte Servilia so überzeugend, daß nicht einmal ihre Mutter merkte, daß sie log. Von beiden Elternteilen vernachlässigt, hatte sich Servilia schon früh auf die Seite ihres Vaters geschlagen, denn er erschien ihr als der mächtigere und nützlichere Partner. In ihren kindlichen Tagträumen hatte sie ein so enges Verhältnis zu ihrem Vater, wie es menschlichem Ermessen nach in Wirklichkeit nie sein würde. Denn für ihren Vater waren Töchter nur eine Last, er wünschte sich nichts sehnlicher als einen Sohn. Auch das wußte sie. Woher?
    Nun, sie schlich lautlos wie ein Geist durch das Haus ihres Onkels Marcus, belauschte Gespräche aus verborgenen Winkeln und bekam so Dinge mit, die nicht für ihr Ohr bestimmt waren. Und immer, so schien ihr, war es ihr Vater, der

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