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MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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wie ein wahrer Römer sprach, nicht ihr Onkel Marcus — und schon gar nicht dieser italische Niemand namens Silo. Da sie ihren Vater schrecklich vermißte, fürchtete sie jetzt, daß das Unvermeidliche wahr werden könnte: daß ihre Mutter einen Sohn zur Welt bringen würde und all ihre Hoffnungen dahin wären, der Liebling ihres Vaters zu werden.
    »Gut, Servilia«, sagte Livia Drusa abrupt. »Ich bin sehr froh, daß du deinen Vater magst. Aber wenn dein Vater zurückkommt, mußt du beweisen, daß du schon ein großes Mädchen bist. Was ich dir über meine Abneigung gegen ihn gesagt habe, muß unter uns bleiben. Das ist unser Geheimnis.«
    »Warum? Weiß er es denn noch nicht?«
    Livia Drusa runzelte verwirrt die Stirn. »Wenn du wirklich soviel mit deinem Vater sprichst, müßtest du eigentlich wissen, daß er nicht das Geringste ahnt. Er ist nicht gerade ein sehr einfühlsamer Mensch. Das ist wahrscheinlich einer der Gründe, warum ich ihn nicht gern haben kann.«
    »Na ja, Vater und ich verschwenden nie unsere Zeit damit, über dich zu sprechen«, erklärte Servilia verächtlich. »Wir unterhalten uns über wichtige Dinge.«
    »Für eine Siebenjährige verstehst du es bereits sehr gut, anderen weh zu tun.«
    »Meinem Vater habe ich noch nie weh getan.«
    »Wie schön für dich! Aber denke bitte daran: Was ich dir heute gesagt oder zu sagen versucht habe, bleibt unter uns. Ich habe dir etwas anvertraut und erwarte, daß du das in dich gesetzte Vertrauen zu schätzen weißt und dich wie eine römische Patrizierin verhältst.«

    Nach der Wahl des Lucius Valerius Flaccus und Marcus Antonius Orator ins Zensorenamt im April suchte Quintus Poppaedius Silo das Haus des Drusus auf. Er befand sich in einem Zustand höchster Erregung.
    »Wie schön, daß ich ohne Quintus Servilius mit dir sprechen kann«, rief er mit einem breiten Grinsen. Er machte keinen Hehl aus seiner Abneigung gegen Caepio, genausowenig wie dieser seine Gefühle verbarg.
    Drusus verstand das und stimmte insgeheim mit Silo überein, aber die Loyalität zu seinem Schwager ließ ihn nicht offen zustimmen, und so ignorierte er Silos Bemerkung. »Warum bist du so erregt?« fragte er statt dessen.
    »Unsere Zensoren! Sie planen die umfassendste Bevölkerungszählung aller Zeiten und sie wollen außerdem den Erfassungsmodus ändern.« Silo warf begeistert die Arme in die Luft. »Oh, Marcus Livius, du weißt gar nicht, wie pessimistisch ich hinsichtlich einer Lösung der Bundesgenossenfrage geworden war. Ich war schon soweit, daß ich glaubte, die einzige Lösung des Problems bestünde im Krieg und der Loslösung von Rom.«
    Drusus hörte heute zum ersten Mal von diesen Befürchtungen Silos. Er fuhr in seinem Stuhl auf und sah seinen Freund entsetzt an. »Loslösung? Krieg? Quintus Poppaedius, wie kannst du so etwas auch nur sagen? Das Problem der italischen Bundesgenossen wird auf friedliche Weise gelöst werden. Das ist doch mein Ziel!«
    »Das weiß ich, mein Freund, und glaube mir, Loslösung und Krieg sind das letzte, was ich will. Das wären weder für die Italiker noch für Rom wirkliche Alternativen. Der Verlust an Geld und Menschen würde unsere beiden Völker um Jahrzehnte zurückwerfen, egal welche Seite siegreich wäre. In einem Bürgerkrieg gibt es keine Gewinner.«
    »Daran darfst du nicht einmal denken!«
    Silo beugte sich aufgeregt vor, legte die Arme auf Drusus’ Schreibtisch und sagte ungeduldig: »Das tu ich auch nicht! Weil ich nämlich jetzt einen Weg gefunden habe, wie wir so viel Italikern das römische Bürgerrecht verleihen können, daß Rom seine Einstellung zu den Bundesgenossen einfach ändern muß.«
    »Du meinst eine Verleihung des Bürgerrechts in großem Stil?«
    »Nicht das allgemeine Bürgerrecht, das ist unmöglich. Aber ein so weitgehendes, daß das allgemeine Bürgerrecht die nächste Stufe wäre«, sagte Silo.
    »Und wie soll das gehen?« Drusus fühlte sich ein wenig betrogen. Er hatte sich selbst immer als denjenigen betrachtet, der Silo in der Frage der Bürgerrechtsverleihung an die italischen Bundesgenossen um einiges voraus war. Offenbar hatte er sich getäuscht.
    »Wie du weißt, haben die Zensoren sich bisher immer mehr für die Einwohner Roms interessiert. Die Volkszählungen auf dem Land und in den Provinzen wurden erst spät und willkürlich durchgeführt. Ein Landbewohner, der sich in die Bürgerlisten eintragen lassen wollte, mußte immer entweder zum Magistrat seiner Gemeinde oder Stadt gehen oder aber zum

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