MoR 02 - Eine Krone aus Gras
»Philippus und Caepio verstehen es auch nicht«, sagte er verächtlich.
Der Monat, den Silo und Mutilus für die Mobilmachung angesetzt hatten, hatte völlig genügt. Trotzdem marschierte noch keine italische Armee. Das hatte zwei Gründe, von denen der eine Mutilus einleuchtete, während der andere ihn fast zur Verzweiflung trieb. Die Verhandlungen mit den Führern von Etruria und Umbria kamen nur im Schneckentempo voran, und bevor kein Ergebnis absehbar war, wollte im Kriegsrat und im großen Rat keiner den Angriff wagen. Doch dazu kam, daß seltsamerweise keiner als erster marschieren wollte — nicht aus Angst, sondern aus einer tief verwurzelten und Jahrhunderte alten Ehrfurcht vor Rom. Das bekümmerte Mutilus.
»Warten wir, bis Rom den ersten Schritt tut«, schlug Silo im Kriegsrat vor, ein Vorschlag, den Lucius Fraucus im großen Rat wiederholte.
Als Mutilus erfuhr, daß die Marser dem Senat eine Kriegserklärung überreicht hatten, war er wütend geworden, denn er hatte geglaubt, Rom werde seine Soldaten sofort zu den Waffen rufen.
Aber Silo hielt den Schritt immer noch für richtig.
»Es war richtig so«, beharrte er. »Wie in jedem Bereich des menschlichen Lebens gelten auch im Krieg Gesetze. Rom kann nicht behaupten, es sei nicht gewarnt worden.«
Mutilus konnte seine italischen Verbündeten durch nichts von ihrem Beschluß abbringen, solange zu warten, bis Rom als erstes angriff.
»Wenn wir jetzt losmarschieren, vernichten wir sie!« rief Mutilus vor dem Kriegsrat, während sein Stellvertreter Gaius Trabatius das gleiche im großen Rat verkündete. »Ihr seht doch, daß der Sieg unwahrscheinlicher wird, je mehr Zeit Rom für seine Kriegsvorbereitungen hat! Unser größter Vorteil ist, daß uns in Rom keiner ernstnimmt! Wir müssen jetzt marschieren! Wir marschieren morgen los! Wenn wir zögern, verlieren wir den Krieg!«
Die anderen schüttelten ernst den Kopf, außer Marius Egnatius, Mutilus’ samnitischem Stammesbruder, der ebenfalls im Kriegsrat saß. Selbst Silo war dagegen, obwohl er Mutilus’ Überlegung für folgerichtig hielt.
»Es wäre nicht richtig!« Die Samniten bekamen immer die gleiche Antwort, egal, wie sehr sie zum Losschlagen drängten.
Auch das Massaker von Asculum Picentum änderte nichts. Der Picenter Gaius Vidacilius wollte nicht einmal eine Garnison in die Stadt schicken, um römischen Vergeltungsmaßnahmen zuvorzukommen. Rom lasse sich mit Vergeltung immer Zeit, meinte er. Und vielleicht geschähe auch gar nichts.
»Wir müssen marschieren!« beschwor Mutilus seine Verbündeten immer wieder. »Die Bauern sagen alle, daß es keinen richtigen Winter gibt. Wir brauchen also nicht bis zum Frühjahr zu warten! Wir müssen jetzt marschieren!«
Aber es wollte niemand marschieren, und dabei blieb es.
Dennoch gab es erste Anzeichen für Unruhen unter den Samniten. Der Vorfall in Asculum Picentum wurde von keiner der beiden Seiten als offener Aufstand gewertet; die Römer hatten die Bewohner der Stadt provoziert, und diese hatten sich gerächt. Dagegen machte sich in der Campania, wo eine große samnitische Bevölkerung mit Römern und Latinern zusammenlebte, der seit Generationen schwelende Unmut plötzlich Luft.
Erste konkrete Nachrichten davon brachte Sulpicius Galba nach Rom, als er im Februar zerlumpt und ohne Eskorte zurückkehrte. Der neue Konsul Lucius Julius Caesar berief sofort den Senat ein, damit Galba Bericht erstatten konnte.
»Sechs Wochen war ich Gefangener in Nola«, sagte Galba vor den schweigenden Senatoren. »Ich hatte gerade ein Schreiben an euch geschickt, daß ich auf dem Heimweg sei, als ich in Nola eintraf. Ursprünglich wollte ich die Stadt nicht besuchen, aber da ich schon in der Nähe war und in Nola eine besonders große samnitische Bevölkerung lebt, entschloß ich mich im letzten Moment doch noch dazu. Ich kam bei der besten Freundin meiner Mutter unter, einer alten Dame, die natürlich Römerin ist. Sie berichtete von seltsamen Vorkommnissen in Nola: Römer und Latiner würden plötzlich nicht mehr bedient und könnten auf dem Markt nichts mehr kaufen, nicht einmal Lebensmittel! Die Sklaven seien gezwungen, mit einem Karren nach Acerrae zum Einkaufen zu fahren. Als ich mit meinen Liktoren und Berittenen durch die Stadt zog, wurde ich immer wieder ausgebuht und ausgezischt, und nie waren in der Menge Schuldige zu finden.«
Galba machte eine Pause und fuhr dann unglücklich mit der Erzählung seines wenig erfreulichen Abenteuers fort: »In
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