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MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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greifen sie uns aller Wahrscheinlichkeit nach von zwei Seiten an — von Osten her entlang der Via Salaria und der Via Valeria mit ihren beiden Abzweigungen — und von Süden her, auf einer Linie zwischen dem Adriatischen und dem Tyrrhenischen Meer an der Crater-Bucht, wo die Samniten besonders stark sind. Wenden wir uns zunächst dem Süden zu: Wenn die Apulier, Lukaner und Venusiner zu den Samniten, Hirpinern und Frentanern stoßen, wird der Süden zu einem eigenen genau umrissenen, bedrohlichen Kriegsschauplatz. Dem zweiten Kriegsschauplatz könnte man zwei Namen geben: der nördliche oder der zentrale Kriegsschauplatz, der die Gebiete im Norden und Osten von Rom umfaßt. Dort treten die Stämme der Marser, Paeligner, Marrukiner, Vestiner und Picenter in Erscheinung. Ihr werdet bemerkt haben, daß ich Etruria, Umbria und das nördliche Picenum augenblicklich nicht mit ins Spiel bringe.«
    Sulla holte tief Luft und sprach hastig weiter. Ihm stand alles kristallklar vor Augen. »Im Süden wird der Feind alles unternehmen, um uns von Brundisium, Tarentum und Rhegium abzuschneiden. Im Zentrum oder im Norden versucht er uns den Weg nach Gallia Cisalpina zu versperren, sicherlich an der Via Flaminia, möglicherweise auch an der Via Cassia. Wenn er das schafft, haben wir nur noch über die Via Aurelia und die Via Aemilia Scauri über Dertona und Placentia Zugang nach Gallia Cisalpina.«
    Lucius Caesar unterbrach ihn. »Komm herunter in die Mitte, Lucius Cornelius mit dem Beinamen Sulla.«
    Sulla stieg die Stufen hinunter und deutete eine Handbewegung in Marius’ Richtung an. Ihm war nicht ganz wohl dabei, die Lageeinschätzung des Mannes, von dem er alles gelernt hatte, als seine eigene auszugeben. Daß er es dennoch tat, hatte vielfältige Gründe. Neid spielte eine Rolle, weil Marius’ Sohn noch lebte, Verärgerung darüber, daß ihn nach der Rückkehr aus Kilikien keiner im Senat, auch Marius nicht, zu einer ausführlichen Berichterstattung über seine Reise in den Osten aufgefordert hatte, und nicht zuletzt war ihm blitzartig aufgegangen, daß er es sehr schnell sehr weit würde bringen können, wenn er in diesem Augenblick eine gute Rede hielt. Zu dumm, dachte er. Er wollte Gaius Marius nicht verletzen, und doch tat er es immer wieder.
    »Ich meine«, fuhr er, unten angekommen, fort, »daß wir beide Konsuln im Feld brauchen, wie Lucius Julius vorgeschlagen hat. Ein Konsul muß wohl nach Süden gehen, denn Capua ist lebenswichtig für uns. Wenn wir Capua verlieren, verlieren wir unser bestes Ausbildungslager und eine Stadt mit hervorragenden Erfahrungen bei der Ausbildung und Ausrüstung von Soldaten. Der Konsul, der selbst im Feld kommandiert, braucht natürlich noch einen Befehlshaber, der direkt in Capua für die Aushebungen und die Ausbildung verantwortlich ist. Der Konsul, der in den Süden geht, muß alle Truppen zurückschlagen, die die Samniten und ihre Verbündeten ihm entgegenschicken. Die Samniten werden versuchen, über ihre angestammten Schlupfwinkel bei Acerrae und Nola nach Westen zu den Seehäfen am Südufer der Crater-Bucht vorzustoßen, nach Stabiae, Salernum, Surrentum, Pompei und Herculaneum. Wenn es ihnen gelingt, einige oder alle einzunehmen, verfügen sie über Hafenanlagen am Tyrrhenischen Meer, die weitaus besser sind als jeder Hafen an der Adria nördlich von Brundisium. Und sie haben uns vom fernen Süden abgeschnitten.«
    Sulla war kein großer Redner, da er nur eine minimale Ausbildung in Rhetorik erhalten hatte. Seine Karriere im Senat stand und fiel mit dem Krieg. Hier kam es auch gar nicht aufs Schönreden an. Man mußte nur deutlich sagen, was Sache war.
    »Am nördlichen oder zentralen Kriegsschauplatz ist die Lage heikler. Wir müssen davon ausgehen, daß alle Gebiete zwischen Picenum und Apulia einschließlich des Apennin in Feindeshand sind. Und der Apennin ist für uns das größte Hindernis. Wenn wir gezwungen sind, nach Etruria oder Umbria zu marschieren, müssen wir uns gegen die italischen Stämme von Anfang an tapfer behaupten. Wenn uns das nicht gelingt, laufen Etruria und Umbria zum Feind über, und wir verlieren unsere Straßen mitsamt Gallia Cisalpina. Der eine Konsul muß an diesem Kriegschauplatz den Oberbefehl führen.«
    »Wir brauchen doch wohl einen Oberkommandierenden in diesem Krieg«, sagte Scaurus.
    »Das geht nicht, Princeps Senatus. Die beiden Kriegsschauplätze, die ich eben beschrieben habe, sind durch unser Land voneinander getrennt«, sagte Sulla

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