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MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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Im Haus ihres Bruders war ihr am Verhalten der Servilia Caepionis zum ersten Mal klar geworden, daß eine Frau ihrem Mann ebenbürtig sein konnte; Frauen waren also nicht zwangsläufig aus den Diskussionen über wichtige Familienangelegenheiten ausgeschlossen. Zum ersten Mal hatte sie unverdünnten Wein getrunken. Und dann, als sich alles wieder beruhigt hatte und alles geklärt war, hatte Servilia Caepionis dem großen, rothaarigen Odysseus auf der Loggia unter ihnen einen Namen gegeben — Marcus Porcius Cato Salonianus. Beileibe kein König! Nicht einmal ein richtiger Adliger, sondern der Enkel eines Bauern aus Tusculum und der Urenkel eines keltiberischen Sklaven.
    In diesem Augenblick war Livia Drusa erwachsen geworden.
    »Hier bist du also!« rief Caepio mit strenger Stimme. »Was machst du da draußen in der Kälte, Frau? Komm sofort herein!«
    Livia Drusa erhob sich gehorsam und folgte ihrem Mann in das verhaßte Schlafgemach.

    Ende Februar brach Quintus Servilius Caepio auf. Zuvor hatte er Livia Drusa erklärt, er werde wohl mindestens ein Jahr weg sein, wenn nicht länger. Sie war überrascht, aber er erklärte ihr, die Reise sei absolut notwendig, denn er habe sein gesamtes Geld in dieses Unternehmen im italischen Gallien investiert und müsse deshalb unbedingt persönlich dessen Durchführung überwachen. Da er sich einen Sohn wünschte und außerdem der Meinung war, daß sie während seiner Abwesenheit etwas zu tun haben müsse, hatte er vor seiner Abreise häufig und intensiv mit ihr geschlafen. Zu Beginn ihrer Ehe war Livia Drusa das körperliche Zusammensein mit ihrem Gatten ein Greuel gewesen, aber nachdem sie die wahre Identität ihres angebeteten rothaarigen König Odysseus erfahren hatte, waren ihr Caepios Intimitäten bloß noch eine lästige Unannehmlichkeit, die sie emotionslos über sich ergehen ließ. Sie verabschiedete sich von ihm, erwähnte aber mit keinem Wort, wie sie die Zeit seiner Abwesenheit verbringen wollte. Eine Woche später bat sie ihren Bruder um eine Unterredung.
    »Marcus Livius, ich möchte dich um einen großen Gefallen bitten«, begann sie, nachdem sie auf seinem Klientenstuhl Platz genommen hatte. Dann hielt sie überrascht inne und lachte. »Bei den Göttern! Weißt du, daß ich heute zum ersten Mal wieder hier sitze, seit du mich dazu überredet hast, Quintus Servilius zu heiraten?«
    Drusus’ olivfarbene Haut wurde dunkel. Er sah auf seine Hände, die gefaltet vor ihm auf dem Schreibtisch lagen. »Das war vor acht Jahren«, sagte er bewegunglos.
    »So ist es.« Sie lachte wieder. »Aber ich wollte mit dir nicht darüber sprechen, was vor acht Jahren war. Ich bin gekommen, um dich um einen Gefallen zu bitten, Bruder.«
    »Es würde mich freuen, wenn ich ihn dir erfüllen kann, Livia Drusa.« Er war dankbar, daß sie nicht gekommen war, um ihm Vorwürfe zu machen.
    Drusus hatte sich schon oft bei ihr entschuldigen wollen, sie um Verzeihung für seinen schrecklichen Fehler bitten wollen. Er wußte genau, wie unglücklich sie war, und mußte zugeben, daß sie mit ihrer Einschätzung von Caepios Charakter recht behalten hatte. Aber der Stolz hatte ihm den Mund verschlossen, und außerdem war er immer noch davon überzeugt, daß er seine Schwester durch die Heirat mit Caepio davor bewahrt hatte, zu werden wie ihre Mutter. Diese schreckliche Frau hatte ihn über Jahre hinweg in peinliche Situationen gebracht; in Gesprächen war oft über sie gespottet worden, wenn wieder einmal eine ihrer schmutzigen Liebesaffären gescheitert war.
    »Also?« forderte er Livia Drusa auf.
    Sie runzelte die Stirn, fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und sah ihn dann mit ihren schönen Augen an. »Marcus Livius, ich weiß, daß wir deine Gastfreundschaft schon viel zu lange in Anspruch nehmen.«
    »Das stimmt nicht«, entgegnete ihr Bruder schnell. »Aber wenn ich unabsichtlich diesen Eindruck erweckt haben sollte, dann tut es mir leid. Wirklich, Schwester, du bist in meinem Hause immer willkommen.«
    »Ich danke dir. Aber ich habe doch recht. Du und Servilia Caepionis, ihr konntet nie miteinander allein sein. Vielleicht ist sie deshalb bisher noch nicht schwanger geworden.«
    Drusus zuckte zusammen. »Das bezweifle ich.«
    »Ich nicht.« Sie beugte sich vor und sagte ernst: »Die Zeit ist günstig, Marcus Livius. Du bekleidest kein Regierungsamt, und da ihr den kleinen Drusus Nero jetzt schon einige Zeit bei euch habt, ist die Wahrscheinlichkeit, daß ihr selbst ein Kind zeugen werdet,

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