MoR 02 - Eine Krone aus Gras
groß. Zumindest behaupten das die alten Frauen, und ich glaube ihnen.«
Livius Drusus sprach nicht gern über dieses Thema und drängte ungeduldig: »Sage endlich, was du sagen willst!«
»Also gut. Ich möchte mit meinen Kindern gern aufs Land ziehen, solange Quintus Servilius weg ist. Du hast doch diese schöne kleine Villa in der Nähe von Tusculum, kaum eine halbe Tagesreise von Rom entfernt. Das Haus ist seit Jahren unbewohnt. Bitte, Marcus Livius, überlaß mir das Haus eine Zeitlang! Laß mich allein dort leben!«
Drusus musterte sie aufmerksam und überlegte, was sie im Schilde führen mochte. Aber sie sah ihn offen und ehrlich an.
»Hast du Quintus Servilius um Erlaubnis gefragt?«
»Selbstverständlich!« Livia Drusa sah ihn unverwandt an.
»Er hat mir gegenüber nichts davon gesagt.«
»Das ist aber merkwürdig!« entgegnete sie mit einem Lächeln. »Aber es paßt zu ihm.«
Livius Drusus mußte lachen. »Also gut, Schwester. Wenn Quintus Servilius es erlaubt hat, habe ich nichts dagegen. Du hast ja selbst gesagt, Tusculum ist nicht weit von Rom weg, und ich kann immer ein Auge auf dich haben.«
Livia Drusas Augen leuchteten auf, und sie dankte ihrem Bruder überschwenglich.
»Wann willst du umziehen?«
Sie stand auf. »Sofort. Darf ich Cratippus beauftragen, alles Notwendige zu arrangieren?«
»Selbstverständlich.« Drusus räusperte sich. »Wir werden dich vermissen, Livia Drusa, dich und deine Töchter auch.«
»Und das, nachdem sie dem Pferd einen zusätzlichen Schwanz gemalt und die Trauben in unförmige Äpfel verwandelt haben?«
»Drusus Nero hätte in ein paar Jahren vielleicht dasselbe gemacht«, entgegnete Livius Drusus. »Eigentlich können wir sogar von Glück reden. Die Farbe war noch naß, und so ist ja überhaupt nichts passiert. Vaters Gemälde sind im Keller sicher untergebracht und werden dort bleiben, bis das letzte Kind der Familie aus dem Gröbsten heraus ist.«
Auch er erhob sich, und zusammen gingen sie den Säulengang entlang zum Wohnzimmer der Hausherrin. Servilia saß am Webstuhl und webte eine Decke für das neue Bett des kleinen Drusus Nero.
»Unsere Schwester möchte uns verlassen«, sagte Drusus, als sie eintraten.
Diese Neuigkeit löste bei seiner Frau sichtliche Bestürzung, aber auch schuldbewußte Freude aus. »Oh, Marcus Livius, das ist ja schrecklich! Warum?«
Drusus zog sich jedoch schnell zurück und überließ es seiner Schwester, sich zu erklären.
»Ich ziehe mit den beiden Mädchen in die Villa nach Tusculum. Dort bleiben wir, bis Quintus Servilius zurückkommt.«
»Die Villa in Tusculum?« fragte Servilia Caepionis entgeistert. »Aber meine liebe Livia Drusa, das ist doch eine alte Bruchbude! Soviel ich weiß, hat sie noch der erste Livius gekauft. Es gibt weder ein Bad noch eine Toilette und keine anständige Küche, und außerdem ist das Haus viel zu klein.«
»Das ist mir egal.« Livia Drusa nahm die Hand der Schwägerin und drückte sie sich an die Wange. »Liebe Servilia Caepionis, ich würde sogar in einem Schuppen wohnen, wenn ich dadurch auch einmal Herrin eines Hauses sein könnte. Ich sage das nicht, um dich zu kränken oder um dir Vorwürfe zu machen. Von dem Tag an, an dem dein Bruder und ich hier eingezogen sind, hast du uns überaus freundlich behandelt. Aber versetze dich bitte einmal in meine Lage. Ich möchte ein eigenes Haus. Ich möchte Diener, die mich nicht dauernd dominilla nennen und sich nicht darum scheren, was ich sage, weil sie mich seit frühester Jugend kennen. Ich möchte hinaus aufs Land und ein bißchen Ruhe vor der Hektik dieser schrecklichen Stadt haben. Bitte, Servilia Caepionis, versuche mich zu verstehen!«
Zwei Tränen liefen Servilia Caepionis übers Gesicht, und ihre Lippen zitterten. »Ich verstehe dich ja«, sagte sie leise.
»Sei nicht traurig, freue dich doch mit mir!«
Die beiden Frauen umarmten sich innig.
»Ich werde sofort Marcus Livius und Cratippus holen«, sagte Servilia Caepionis abrupt. Sie deckte den Webstuhl ab, um ihn gegen Staub zu schützen. »Die Villa muß so schnell wie möglich für dich hergerichtet und umgebaut werden.«
Aber so lange mochte Livia Drusa nicht warten. Drei Tage später brach sie mit ihren beiden Töchtern, mehreren Bücherkisten und den wenigen Sklaven Caepios nach Tusculum auf.
Sie war seit ihrer Kindheit nicht mehr dort gewesen, aber alles war unverändert — ein kleines Haus, das in einem häßlichen Gelb angestrichen war und nur einen winzigen Garten
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