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MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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gebracht, zum Land meiner Vorfahren. Das wußte ich von dem Augenblick an, als ich dich unten am Bach zum ersten Mal sah. Und wenn du mit so vielen mächtigen Familien verwandt bist, dann ist das eben ein weiteres Zeichen dafür, daß ich vom Schicksal begünstigt bin.«
    »Hattest du wirklich keine Ahnung, wer ich bin?«
    »Nicht die geringste«, entgegnete er leicht bekümmert. »Ich habe dich noch nie im Leben gesehen.«
    »Kein einziges Mal? Hast du nie von Gnaeus Domitius’ Balkon aus hinauf geschaut zum Haus meines Bruders?«
    »Nein, nie.«
    Sie seufzte. »Ich habe dich im Lauf der Jahre oft gesehen.«
    »Und ich bin sehr froh, daß dir gefallen hat, was du gesehen hast.«
    Sie schmiegte sich an seine Schulter. »Ich habe mich mit sechzehn in dich verliebt.«
    »Wie schlecht die Götter sind!« sagte er. »Wenn ich dich dort gesehen hätte, dann hätte ich sicher nicht geruht, bis du meine Frau geworden wärst. Und wir hätten viele Kinder bekommen und wären jetzt nicht in dieser schrecklichen Lage.«
    Sie zitterte. »Ich kann rnich erst scheiden lassen, wenn mein Mann wieder zurück ist, und das wird frühestens in einem Jahr sein. Außerdem glaube ich nicht, daß mein Bruder und mein Mann mit dir einverstanden wären. Sie würden wahrscheinlich keine Mitgift zahlen, und ich werde die Kinder verlieren.«
    »Und ich kann mich nicht von Cuspia scheiden lassen«, sagte er traurig. »Ich brauche noch mindestens zehn Jahre, bis ich die Mitgift meiner Schwester abgestottert habe. Selbst mit Cuspias Vermögen bleibt mir nichts anderes übrig, als die Mitgift in Raten abzuzahlen.«
    Instinktiv fielen sie einander in die Arme und hielten sich fest. Dabei verspürten sie Lust und Kummer gleichzeitig.
    »Sie werden toben, wenn sie es herausfinden«, sagte sie unter Tränen.
    »Ja.«
    »Es ist nicht gerecht.«
    »Nein.«
    »Sie dürfen es nie herausfinden, Marcus Porcius.«
    Er wand sich. »Ich wünschte, wir könnten ehrenvoll zusammensein, Livia Drusa, und nicht mit Schuldgefühlen.«
    »Es ist ehrenvoll«, entgegnete sie ernst. »Nur die Umstände lassen unsere Beziehung in einem schlechten Licht erscheinen.
    Aber ich schäme mich nicht.«
    Er setzte sich auf und schlang die Arme um seine Knie. »Ich auch nicht«, beteuerte er, sah sie aber mit traurigen Augen an. »Ich wünschte nur, ich könnte dich heiraten. Unsere Beziehung geheimhalten zu müssen, ist grausam.«
    »Aber es muß sein, auch wenn es grausam ist«, entgegnete sie entschlossen. »Jetzt, da ich dich gefunden habe, mein König Odysseus, kann ich nicht mehr ohne dich leben.«
    Er nahm sie wieder in die Arme und hielt sie fest, bis sie protestierte, denn sie wollte ihn betrachten, seinen herrlichen Körper, die langen Arme und Beine, die geschmeidige und haarlose Haut und die wenigen Haare seines Körpers, die wie sein Kopfhaar rot waren. Er war gut gebaut und muskulös, sein Gesicht war hager. Ein wahrer König Odysseus! Zumindest ihr König Odysseus.
    »Ich liebe dich, Marcus Porcius Cato«, sagte sie.
    »Und ich liebe dich, Livia Drusa.«

    Am späten Nachmittag verließ sie ihn, nachdem sie vereinbart hatten, sich morgen am selben Ort und zur selben Zeit wieder zu treffen. Sie hatten sich so lange nicht voneinander trennen können, daß die Bauarbeiter ihr Tagewerk bereits getan hatten, als Livia Drusa nach Hause kam. Ihr Verwalter Mopsus hatte bereits die Dienerschaft alarmiert, um nach der Herrin zu suchen. Livia Drusa war so glücklich, daß sie wie auf Wolken schwebte und gar nicht daran gedacht hatte, daß man sich Sorgen um sie machen könnte. Jetzt starrte sie Mopsus in der Dämmerung entgeistert an. Sie hatte nicht einmal eine passende Entschuldigung für ihr Zuspätkommen.
    Sie sah schrecklich aus. Ihr Haar war aufgelöst, voller Zweige und Gras und hing wirr herunter. Ihre Kleider waren dreckverschmiert, die sorgfältig geschnürten Schuhe, die sie getragen hatte, baumelten jetzt an ihrer Hand, Gesicht und Arme waren schmutzig, die Füße völlig verdreckt.
    »Domina, um Himmels willen, was ist passiert?« rief der Verwalter entsetzt. »Bist du gestürzt?«
    Erst jetzt kehrten ihre Lebensgeister wieder zurück. »Ja, das bin ich, Mopsus«, antwortete sie fröhlich. »Ich bin so tief gefallen, wie ich konnte, und immer noch am Leben.«
    Unter den Augen der kichernden Dienerschaft verschwand sie im Haus. Eine alte Messingbadewanne wurde in das Wohnzimmer getragen und mit warmem Wasser gefüllt. Lilla, die geweint hatte, weil ihre Mutter

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