MoR 03 - Günstlinge der Götter
hatte und sich keinem überlegen fühlte, zugleich aber wußte, daß er allen — außer vielleicht Fabius Maximus — überlegen war. Schwer einzuschätzen, aber so waren sie eben, die Julier und Fabier. Und wie gut er aussah! Thermus, der für Männer keine geschlechtliche Zuneigung hatte, grübelte über Caesars Neigungen nach. Männer, die aussahen wie er, waren oft dem eigenen Geschlecht zugetan. Aber Caesars Benehmen war alles andere als affektiert gewesen.
Der Berg von Papier vor ihm ermahnte ihn stumm, und Thermus wandte sich wieder der Arbeit zu. Bald hatte er Gaius Julius Caesar vollkommen vergessen.
Ohne zu übernachten, reiste Caesar mit seinem kleinen Gefolge von Pergamon auf dem Landweg weiter. Er folgte zunächst dem Lauf eines Flusses, überwand einen hohen Gebirgskamm und stieg ins Tal des Makestos hinab, der am Unterlauf Rhyndakos hieß. Da Ortsansässige ihm davon abrieten, weiter in Richtung Meer vorzustoßen, bog er vom Flußlauf ab und ritt parallel zur Küste ostwärts nach Prusa. Prusa war die zweitgrößte Stadt Bithyniens, und es hatte geheißen, daß er König Nikomedes dort vielleicht antreffen werde. Die Stadt schmiegte sich malerisch an die Flanken eines gewaltigen schneebedeckten Gebirgsmassivs, aber Nikomedes weilte nicht in seiner dortigen Residenz. Deshalb stieß Caesar weiter bis zum Sangarios vor und gelangte nach einem weiteren kurzen Ritt nach Westen zur Hauptresidenz des Landes, nach Nikomedia, das verträumt an einem langen, schützenden Meeresarm lag.
Wie anders als Italien! Bithynien hatte ein eher mildes als heißes Klima, und dank seiner Flüsse, die um diese Jahreszeit mehr Wasser führten als die Flüsse Italiens, war das Land erstaunlich grün. Der König dieses Reiches herrschte über ein wohlhabendes Land, soviel war klar. Die Einwohner Prusas hatten keine Armut gelitten, und auch Nikomedia war eine wohlhabende Stadt.
Der Palast stand auf einer Anhöhe über den Häusern, aber noch innerhalb der gewaltigen Stadtmauern. Caesars erster Eindruck war der einer griechischen Reinheit der Formen, griechischer Farben und griechischer Bauart — und eines beträchtlichen Reichtums, obwohl Mithridates hier mehrere Jahre geherrscht hatte. Der König von Bithynien hatte diese Zeit im Exil in Rom verbracht, aber Caesar erinnerte sich nicht, ihm dort je begegnet zu sein. Was freilich kein Wunder war: Rom erlaubte keinem regierenden König, die heilige Stadtgrenze zu überschreiten, weshalb Nikomedes eine unverschämt teure Villa auf dem Pincius gemietet und die Verhandlungen mit dem Senat von dort geführt hatte.
Am Palasttor wurde Caesar von einem verblüffend feminin aussehenden Mann unbestimmten Alters empfangen. Der Mann musterte ihn mit lüsternem Blick von oben bis unten, nickte anerkennend und rief einen zweiten Mann herbei, der ebenfalls aussah wie eine Frau und den Dienern einen Stall für die Pferde und das Maultier zuwies. Dann geleitete er den Gast in ein Vorzimmer, wo er warten sollte, bis der König über seine Ankunft unterrichtet worden war und über eine Unterkunft entschieden hatte. Ob Caesar allerdings sofort eine Audienz erhalten würde, konnte der Haushofmeister — denn als solcher stellte der Mann sich heraus — allerdings nicht sagen.
Der kleine Raum, in dem Caesar wartete, war kühl und erlesen dekoriert. Die Wände trugen keine Fresken, waren aber in verschiedene Fächer unterteilt und mit vergoldeten Gesimsen und Pilastern verziert. Die Fächer waren innen zartrosa ausgemalt, der Rest der Wand leuchtete purpurrot, und der Fußboden war eine Komposition aus Marmor in purpurroten und rosa Farbtönen. Durch die Fenster war trotz der geschlossenen Läden eine Gartenlandschaft mit herrlichen Terrassen und Fontänen zu erkennen, und der Duft verschiedener Blumen lag schwer in der Luft. Caesar sog ihn mit geschlossenen Augen tief in sich hinein.
Aus einer halboffenen Tür drangen laute Stimmen, und Caesar öffnete die Augen wieder. Er hörte eine hohe, lispelnde Männerstimme und eine tiefe, dröhnende Frauenstimme.
»Spring!« sagte die Frau. »Hopp!«
»So ein Blödsinn!« sagte der Mann. »Das ist doch erniedrigend!«
»Puzzi-Schnucki-Puzzi!« rief die Frau und lachte wiehernd.
»Hör auf!« sagte der Mann.
»Hopp!« sagte wieder die Frau und lachte.
Auch wenn es unhöflich war, Caesar näherte sich der Tür und spähte in das Nachbarzimmer, eine Art privates Wohnzimmer. Dort bot sich ihm ein faszinierender Anblick. Er sah einen sehr betagten
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