MoR 03 - Günstlinge der Götter
lange braucht man, um eine Flotte zusammenzustellen, und wieviele Schiffe welcher Bauart willst du?«
»Man braucht ewig, und du nimmst, was der König dir gibt — in anderen Worten, du bekommst nur das, was er selbst nicht braucht. Darin unterscheidet Nikomedes sich nicht von anderen orientalischen Potentaten.«
Der neunzehnjährige Caesar war mit dieser Antwort jedoch nicht zufrieden. Er runzelte die Stirn und gab Thermus eine erste Kostprobe seines beträchtlichen, freilich mit Charme gepaarten Hochmuts. »Das genügt nicht«, sagte er. »Rom muß bekommen, was es braucht.«
Thermus mußte lachen. »Du hast noch viel zu lernen, Caesar!«
Doch seine Worte verfehlten die beabsichtigte Wirkung. Caesar preßte die Lippen zusammen und sah jetzt seiner Mutter sehr ähnlich — die Thermus nicht kannte, sonst hätte er gewußt, mit wem er es zu tun hatte. »Warum sagst du mir nicht einfach, wie viele Schiffe du wann haben willst, Marcus Minucius? Ich kümmere mich dann persönlich darum, daß du sie zum gewünschten Zeitpunkt bekommst.«
Thermus riß erstaunt den Mund auf und war sprachlos. Eigentlich hätte er auf diesen Starrsinn mit einem Wutanfall reagieren müssen, aber er blieb zu seiner eigenen Überraschung ganz ruhig. Allerdings lachte er auch nicht mehr über die Überheblichkeit des Heranwachsenden. Der Statthalter der Provinz Asia begann zu glauben, daß es Caesar tatsächlich ernst war. König Nikomedes und die Zeit würden seinen Hochmut dämpfen, aber daß er sich überhaupt solchen Illusionen hingab, war interessant im Hinblick auf den Brief, in dem Sulla Thermus den jungen Patrizier vorgestellt hatte.
Ich bin ihm gegenüber verpflichtet, weil er durch Heirat zu meinem Neffen geworden ist, aber ich möchte unmißverständlich klarstellen, daß er deshalb nicht bevorzugt werden soll. Ich selbst bevorzuge ihn auch nicht! Ich will, daß ihm schwierige Aufgaben und Ämter übertragen werden. Er hat einen ausgezeichneten Verstand und einen herausragenden Mut und bringt es womöglich noch sehr weit.
Von seinem Verhalten in zwei Gesprächen mit mir abgesehen, war seine Karriere bislang aufgrund seines Amtes als Jupiterpriester wenig spektakulär. Von diesem Amt ist er inzwischen auf legale Weise entbunden. Das heißt allerdings, daß er sich noch nicht als Soldat bewährt hat. Vielleicht ist er also nur mit dem Mund tapfer.
Prüfe ihn, Marcus Minucius, und sage dem lieben Lucullus, er soll dasselbe tun. Wenn er scheitert, darfst Du ihn mit meiner Erlaubnis so hart bestrafen, wie Du willst. Bewährt er sich, erwarte ich, daß Du ihn angemessen belohnst.
Ich habe noch einen letzten, ungewöhnlichen Wunsch. Wenn Du siehst oder erfährst, daß Caesar ein Pferd statt seines Maultieres reitet oder geritten hat, entlasse ihn sofort unehrenhaft und schik- ke ihn nach Hause.
Thermus hatte sich wieder gefaßt und sagte gelassen: »Na schön, Gaius Julius, ich nenne dir einen Zeitpunkt und eine Flottenstärke. Du übergibst die Schiffe Lucullus in seinem Lager an der anatoli- schen Küste nördlich von Mytilene an den Kalenden des November. Bis dahin hat der alte Nikomedes zwar wahrscheinlich noch nicht einmal ein Schiff herausgerückt, aber du wolltest ja einen Zeitpunkt. Die Kalenden des November wären ideal: Wir könnten die beiden Häfen noch vor Winter abschneiden und der Stadt dann hart zusetzen. Nun zur Stärke: vierzig Schiffe, mindestens die Hälfte davon gedeckte Triremen oder größer. Auch hier hast du Glück, wenn du dreißig Schiffe auftreibst, von denen fünf Triremen sind.«
Thermus musterte Caesar streng. »Und da du es so gewollt hast, Caesar, muß ich dich darauf hinweisen, daß ich mich in meinem Bericht nach Rom beschweren werde, wenn du zu spät kommst oder die Flotte eine geringere Stärke hat.«
»Natürlich«, sagte Caesar unbeirrt.
»Du kannst vorerst im Palast wohnen«, sagte Thermus freundlich. Obwohl Sulla ihm freie Hand gegeben hatte, gedachte er keineswegs, einen Verwandten des Diktators gegen sich aufzubringen.
»Nein, ich mache mich noch heute auf den Weg nach Bithynien.« Caesar war bereits zur Tür unterwegs.
»Du mußt nicht gleich übertreiben, Gaius Julius!«
»Nein, aber ich muß unbedingt aufbrechen«, sagte Caesar.
Thermus kehrte zu seinem endlosen Papierkrieg zurück. Ein merkwürdiger Mensch! Hervorragende Umgangsformen, aber von einer Art, wie wohl nur Patrizier berühmter Familien sie hatten. Der junge Mann vermittelte den Eindruck, daß er alle Menschen gern
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