MoR 03 - Günstlinge der Götter
hintersten Winkel seiner Seele, und er dachte keinen Augenblick daran, daß er getötet werden könnte. Dann hörte er seine Männer singen:
»Wir — sind — die — Fim — bri — aner!
Vor — sicht — vor — Fim — bri — anern!
Der König — von — Pontos — saß — in der Falle Denn — wir — sind — die — Aller — besten!«
Caesar hörte ihnen fasziniert zu, während er den wartenden Horden von Mytilene immer näher kam. Vier Jahre mußten seit Fimbrias Tod vergangen sein, vier Jahre, in denen sie unter zwei Licinii, Murena und dann Lucullus gedient hatten. Fimbria war ein Geächteter gewesen, aber sie sahen sich noch immer als seine Männer. Das sind keine Licinianer, dachte Caesar und vermutete, daß sie es auch niemals sein würden. Was sie von Murena gehalten hatten, wußte er nicht. Aber Lucullus verabscheuten sie! Aber wer tat dies nicht? Für Caesar war er ein steifarschiger Aristokrat, der nicht daran glaubte, daß es nützlich war, wenn einen die Soldaten liebten. Wie sehr er sich täuschte!
Genau im richtigen Moment ließ Caesar den Hornbläser das Signal zum Abwurf der Speere geben. Beherrscht blieb er aufrecht stehen, als Tausende von Speeren wie zwei Wolken, die unter den Männern von Mytilene Panik verbreiteten und Verwirrung stifteten, über ihn hinwegzischten. Und jetzt galt es nachzustoßen!
Er zog das Schwert, schwang es kurz in die Luft, hörte das seltsame schleifende Geräusch von sechshundert Schwertern, die aus der Scheide gezogen werden, und schritt dann ruhig wie ein Senator, der sich unter die Menge im Forum mischt, mit erhobenem Schild auf den Feind zu. Er hielt das kurze, zweischneidige und rasiermesserscharfe Schwert, mit dem normalerweise keine Hiebe auf den Kopf ausgeführt wurden, auf der Höhe des gegnerischen Unterleibes, die Spitze leicht nach oben und außen gerichtet. Dann folgten Stich auf Hieb und Hieb auf Stich.
Der Feind wurde von diesem Angriff überrumpelt, und die vorstoßende Kohorte der Fimbrianer ließ den Verteidigern Mytilenes kaum Raum, ihre längeren Schwerter über ihren Köpfen zu schwingen. Sie wurden zurückgedrängt und von den nachrückenden Römern so lange zurückgehalten, bis sich die Spitze von Lucullus’ Halbmond tief in die Reihen des Feindes gebohrt hatte.
Dann aber schöpften diese Männer, welche die Römer alle haßten und lieber sterben wollten, als ihnen ihre geliebte Stadt ein weiteres Mal in die Hand fallen zu lassen, wieder Mut und behaupteten mit allen Mitteln das Terrain.
Besonders wichtig im Kampf, so entdeckte Caesar, war unerschrockenes Auftreten. Kam ein gegnerischer Soldat auf einen zu, so durfte man auf keinen Fall Angst zeigen oder gar zurückweichen, denn sonst verlor man die Begegnung schon innerlich und vergrößerte die Aussicht, getötet zu werden. Angriff, Angriff und nochmals Angriff, lautete die Devise. Caesar gab sich, gesegnet mit einem hervorragenden Reaktionsvermögen und einem phänomenal scharfen Auge, ganz seinen Attacken hin und verlor keine wertvollen Sekunden mit dem Gedanken an das Geschehen hinter sich.
Bis er entdeckte, daß man selbst dann noch, wenn man sich am stärksten auf den augenblicklichen Kampf konzentrieren mußte, Raum für andere wichtige Gedanken hatte: Er hatte den Befehl über die Kohorte und hatte beinahe vergessen, daß es sie gab. Wie aber sich nach ihr umdrehen, ohne erschlagen zu werden? Wie einen geeigneten Standort erringen, von dem aus die Lage zu überblicken war? Allmählich machte sich in seinem Arm die Erschöpfung bemerkbar, wegen der tiefen Haltung des Schwertes und dessen geringem Gewicht allerdings nicht so schnell wie bei den Feinden, die mit weitaus schwereren Waffen kämpfen mußten; sie schwangen die Waffen immer wilder und führten ihre Hiebe immer lustloser aus.
Neben ihm hatte sich ein Haufen erschlagener Feinde angesammelt, während andere noch immer verzweifelt kämpften. Caesar nahm all seine Kräfte zusammen und schlug sich die Bahn frei, um diesen Hügel menschlicher Leiber zu erklimmen. Seine Beine waren verletzlich, aber keine Körperpartie darüber, und der Haufen war so groß, daß er sich, ohne die Beine schützen zu müssen, umdrehen konnte, sobald er den obersten Punkt erreicht hatte.
Hurrarufe ertönten von seinen Männern, als sie ihn entdeckten, Rufe, über die Caesar sich freute. Allerdings bemerkte er nun, daß seine Kohorte vom übrigen Heer abgeschnitten war. Lucullus’ Speerspitze hatte ihre Aufgabe erfüllt, aber sie war
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