MoR 03 - Günstlinge der Götter
konnte niemand mehr die Geschäftsbücher anfechten, die Verres dem Schatzamt vorlegen wollte. Schade, daß er nicht nach Bithynien und Thrakien gekommen war, aber es hatte sich trotzdem für ihn gelohnt.
»Ich glaube«, sagte er zu Dolabella, nachdem sie Pergamon hinter sich gelassen hatten, »daß es in Milet die feinste Wolle der Welt gibt, ganz zu schweigen von den Teppichen und Wandteppichen von außergewöhnlicher Qualität. Laß uns in Milet haltmachen und sehen, was dort zu haben ist.«
»Ich komme nicht darüber hinweg, daß diese beiden socii ganz umsonst gestorben sind«, sagte Caesar zu Nikomedes und Oradaltis. »Warum? Sagt mir, warum haben sie das Mädchen nicht einfach vorgeführt und Verres gezeigt, wie es wirklich ist. Damit wäre die Sache erledigt gewesen! Warum haben sie darauf bestanden, das, was eine Komödie hätte sein sollen, letztlich in eine Tragödie zu verwandeln, von der Sophokles nur träumen konnte?«
»Vor allem aus Stolz«, sagte Oradaltis mit Tränen in den Augen. »Vielleicht auch aus Ehrgefühl.«
»Das wäre verständlich gewesen, wenn das Mädchen sich als Baby hätte sehen lassen können, aber sie wußten doch von dem Moment ihrer Geburt an, wie es war. Warum haben sie es nicht ausgesetzt? Niemand hätte sie deswegen verurteilt.«
»Der einzige, der dir diese Frage hätte beantworten können, Caesar, ist auf dem Marktplatz von Lampsakos gestorben«, sagte Nikomedes. »Es muß einen guten Grund gegeben haben, zumindest für Philodamus. Ein Versprechen, das vor einem Gott gegeben wurde — eine Ehefrau und Mutter, die das Kind behalten wollte — eine freiwillig auferlegte Strafe — wer weiß das schon? Wenn wir alle Antworten kennen würden, hätte das Leben keine Geheimnisse mehr parat. Und keine Tragödien.«
»Ich hätte weinen können, als ich sie sah. Statt dessen habe ich mich krankgelacht. Sie erkannte den Unterschied nicht, aber Verres. Deshalb habe ich gelacht. Dieses Lachen wird ihm noch jahrelang in den Ohren klingen, und er wird mich fürchten.«
»Ich bin überrascht, daß wir den Mann nicht zu Gesicht bekommen haben«, sagte der König.
»Ihr werdet ihn auch nicht zu Gesicht bekommen«, erklärte Caesar mit Genugtuung. »Gaius Verres hat seine Zelte abgebrochen und sich wieder nach Cilicia begeben.«
»Warum?«
»Ich habe es verlangt.«
Der König beschloß, nicht weiter nachzuforschen. Statt dessen sagte er: »Du wünschtest, du hättest die Tragödie verhindern können.«
»Natürlich. Es ist eine Qual, dastehen und zusehen zu müssen, wie irgendwelche Dummköpfe im Namen Roms schweren Schaden anrichten. Aber ich schwöre dir, Nikomedes, ich werde mich nie so verhalten, wenn ich erst einmal in dem Alter bin und die Autorität besitze!«
»Du brauchst nicht zu schwören. Ich glaube dir auch so.«
Die Unterhaltung fand statt, bevor Caesar seine Gemächer aufsuchte, um die Spuren seiner Reise zu beseitigen, was äußerst unangenehm war. Jedesmal, wenn er in den drei Nächten, die er in der Herberge am Hafen verbracht hatte, aufgewacht war, hatte eine nackte Hure rittlings auf ihm gesessen, und da der Schlaf sein Wahrnehmungsvermögen getrübt und seinen Verstand ausgeschaltet hatte, hatte es ihm ungeheuren Spaß gemacht. Die Folge war, daß er sich Filzläuse geholt hatte. Als er die winzigen Parasiten entdeckte, war er so entsetzt und angewidert gewesen, daß er nichts mehr essen konnte, und nur eine gewisse Sensibilität hinsichtlich der Auswirkungen fragwürdiger Substanzen auf seine Genitalien hatte ihn davon abgehalten, etwas einzunehmen, um das Ungeziefer zu vernichten. Bislang hatten sie jeden seiner Versuche überlebt, sie durch ein kurzes Bad in eiskaltem Wasser loszuwerden, und während des Gesprächs mit dem alten König hatte Caesar die ganze Zeit gespürt, wie die furchtbaren Parasiten seine Körperhaare durchstreiften.
Jetzt biß er die Zähne zusammen, ballte die Fäuste und sprang unvermittelt auf. »Bitte entschuldige mich, Nikomedes. Ich muß mich von ein paar unliebsamen Gästen befreien«, sagte er scheinbar gelassen.
»Du meinst Filzläuse?« fragte der König, dem fast nichts entging und der offen sprechen konnte, da Oradaltis schon vor einer Weile mit ihrem Hund hinausgegangen war.
»Ich werde noch verrückt! Dieses ekelhafte Ungeziefer!«
Nikomedes verließ mit Caesar das Zimmer.
»Es gibt nur eine Möglichkeit, sich auf Reisen kein Ungeziefer zu holen«, sagte der König. »Es ist schmerzhaft, vor allem beim ersten Mal,
Weitere Kostenlose Bücher