MoR 03 - Günstlinge der Götter
Gesten vom Marktplatz zu jagen.
»Du wirst das Wiederaufnahmeverfahren für morgen ansetzen«, sagte Verres zu Claudius Nero.
»Für nächsten Sommer«, erwiderte dieser leise.
»Nicht, wenn du Konsul werden willst, mein Freund. Ich werde dich mit dem größten Vergnügen demütigen, das kannst du mir glauben. Was für Dolabella gilt, gilt auch für dich. Tue, was ich sage, oder sei bereit, die Konsequenzen zu tragen. Denn wenn Philodamus und Artemidorus am Leben bleiben und mich in Rom anklagen, werde ich dich und Dolabella in Rom unter Anklage stellen, lange bevor die Griechen dort eintreffen. Ich werde dafür sorgen, daß ihr beide wegen Erpressung verurteilt werdet. So wird keiner von euch zur Stelle sein, um gegen mich auszusagen.«
Das Wiederaufnahmeverfahren fand am Tag nach dem Prozeß statt. Verres war so damit beschäftigt, Geschworene zu bestechen und denen, die sich nicht bestechen ließen, zu drohen, daß er nicht zum Schlafen kam. Dolabella erging es ebenso, da er Verres auf seiner Runde begleiten mußte.
Aber die Mühe lohnte sich. Mit knapper Mehrheit erklärten die Geschworenen Philodamus und Artemidorus des Mordes an einem römischen Liktor für schuldig, und Claudius Nero ordnete ihre sofortige Hinrichtung an. Von der Kohorte der Fimbrianer in Schach gehalten, mußten die Griechen hilflos mit ansehen, wie Vater und Sohn entkleidet und ausgepeitscht wurden. Der alte Mann war bewußtlos, als ihm der Kopf abgehackt wurde, aber Artemidorus war bis zuletzt bei vollem Bewußtsein und weinte, nicht über sein eigenes Schicksal oder das seines Vaters, sondern über das Schicksal seiner verwaisten Schwester.
Nachdem alles vorbei war, mischte sich Caesar furchtlos unter die weinenden Griechen aus Lampsakos, deren Zorn mittlerweile der Trauer gewichen war. Kein anderer Römer wagte sich in ihre Nähe. Begleitet von den Fimbrianern, schafften Claudius Nero und Dolabella bereits ihre Habseligkeiten hinunter zum Kai. Aber Caesar hatte einen Plan. Er hatte nicht lange gebraucht, um zu erkennen, wer unter den Griechen Einfluß hatte, und an diese Männer wandte er sich jetzt.
»Lampsakos ist nicht groß genug, um eine Revolte zu inszenieren«, sagte er zu ihnen, »aber Vergeltung ist möglich. Beurteilt nicht alle Römer nach diesem erbärmlichen Haufen und bleibt ruhig. Ich gebe euch mein Wort, daß ich nach meiner Rückkehr nach Rom den Statthalter Dolabella vor Gericht stellen und dafür sorgen werde, daß Verres nicht zum Prätor gewählt wird. Ich tue das nicht, um Geschenke oder Auszeichnungen zu erhalten, sondern zu meiner eigenen Genugtuung.«
Danach begab sich Caesar zum Hause Ianitors, um mit Gaius Verres zu sprechen, ehe dieser Lampsakos verließ.
»Na, wenn das nicht der Kriegsheld ist!« rief Verres erfreut aus, als Caesar eintrat.
Verres überwachte gerade das Verpacken seiner Sachen.
»Hast du vor, die Tochter mitzunehmen?« fragte Caesar, während er es sich in einem Sessel bequem machte.
»Natürlich«, erwiderte Verres und nickte einem Sklaven zu, der ihm eine kleine Statue brachte, damit er sie begutachtete. »Ja, die gefällt mir. Pack sie ein.« Dann wandte er sich wieder Caesar zu. »Du willst dir wohl unbedingt die Ursache dieses ganzen Theaters ansehen, was?« »Die Neugier verzehrt mich. Sie soll ja selbst Helena an Schönheit übertreffen.«
»Ja, ich glaube schon.«
»Ich frage mich, ob sie wohl blond ist. Ich habe immer gedacht, Helena müsse blond gewesen sein. Blondes Haar hat das gewisse Etwas.«
Anerkennend betrachtete Verres Caesars Haarschopf. Dann fuhr er sich selbst mit der Hand durchs Haar. »Du und ich sollten es ja eigentlich wissen.«
»Wohin wirst du von Lampsakos aus gehen, Gaius Verres?«
Verres zog die goldbraunen Brauen hoch. »Nach Nikomedeia natürlich.«
»Das würde ich nicht tun«, sagte Caesar mit sanfter Stimme.
»Wirklich? Und warum nicht?« fragte Verres scheinbar gleichgültig.
Caesar senkte den Blick und betrachtete seine Hände. »Sobald ich nach Rom zurückkehre — was in diesem oder im nächsten Frühjahr sein wird —, wird Dolabella dran glauben müssen. Ich werde ihn selbst vor Gericht bringen. Und dich auch. Es sei denn, du gehst jetzt nach Cilicia zurück.«
Caesar sah auf; seine blauen Augen blickten in Verres’ honig- farbene Augen. Keiner sagte etwas.
Schließlich brach Verres das Schweigen. »Jetzt weiß ich, an wen du mich erinnerst. An Sulla.«
»Wirklich?«
»Es sind deine Augen. Sie sind zwar nicht so blaßblau wie
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