MoR 03 - Günstlinge der Götter
einen anderen Zweck; während die gewaltige Armee zum Feiern und Ausruhen lagerte, konnte sich Spartacus unter seine Männer mischen und sie in einer persönlicheren Art als draußen vor Mutina ansprechen. So überzeugte er alle, daß die Antwort auf die Frage nach einer endgültigen Heimstatt für sie in Sizilien lag. Obwohl er alle Kornspeicher, die an seinem Weg lagen, geleert und große Vorräte an Käse, Hülsenfrüchten, Rüben und Trockenobst angelegt hatte und Tausende von Schafen, Schweinen, Hühnern und Enten mit sich führte, machte ihm die Ernährung seines Volkes weit mehr Sorge als die Bedrohung durch irgendein römisches Heer. Der Winter nahte; sie mußten Sizilien erreichen, bevor die Kälte hereinbrach.
Im Dezember wanderte er weiter südwärts bis zum Golf von Tarentum. Die unglücklichen Städte und Gemeinden dieser von vielen Flüssen bewässerten, fruchtbaren Ebene wurden um ihre gesamte Ernte gebracht. Bei der Stadt Thurii, die er bereits auf seiner ersten Wanderung durch diesen Landstrich geplündert hatte, ließ er seine Armee landeinwärts abbiegen, das Tal des Crathis entlang marschieren und schließlich auf die Via Popillia einschwenken. Kein römisches Heer hinderte sie. Auf der breiten Straße überquerten sie bequem die Lucaner Berge und erreichten den kleinen Fischerhafen Scyllaeum.
Auf der anderen Seite der schmalen Meerenge lag Sizilien. Nur noch eine kurze Überfahrt, und ihre langen Wanderungen würden ein Ende haben. Aber was für eine Fahrt! Scylla und Charybdis machten hier das Meer unsicher. Draußen vor der Bucht von Scyllaeum bleckte Scylla die Zähne, die in dreifachem Kranz in jedem ihrer sechs Köpfe steckten, dazu geiferten und heulten Hundeköpfe, die ihre Lenden umgaben. Selbst wenn ein Schiff das Glück hatte, an der schlafenden Scylla vorbeizusegeln, drohte auf der anderen Seite der Meerenge Charybdis, ein gierig alles in seinen Schlund saugender Mahlstrom.
Nicht, daß Spartacus selbst an solche Märchen geglaubt hätte. Doch ohne es recht zu merken, verlor er nach und nach ganze Schichten seines Römerseins; wie die Schalen einer Zwiebel lösten sie sich von ihm ab und legten einen ursprünglichen, noch aus der Kindheit stammenden Kern frei. Es war nun fast fünf Jahre her, seit er aus der Legion des Cosconius ausgestoßen worden war. Seitdem hatte er nicht mehr wie ein zivilisierter Römer gelebt. Die Frau, die er sich zur Gefährtin gewählt hatte, glaubte an Fabelgestalten wie Scylla und Charybdis und mit ihr viele seiner Krieger. Und bisweilen stahlen sich diese Ungeheuer auch in seine Träume.
Scyllaeum war der Stützpunkt einer großen Fischereiflotte, die zweimal im Jahr dem wandernden Thunfisch folgte; der Hafen wurde aber auch von Piraten angelaufen. Die römischen Legionen, die auf der nahen Via Popillia von und nach Sizilien marschierten, verhinderten zwar, daß größere Piratenflotten hier vor Anker gingen. Dennoch schoben gerade einige kleinere Freibeuter, die in Scyllaeum heimisch waren, ihre schlanken kleinen Schiffe ohne Deckaufbauten zum Überwintern auf den Strand, als die Spartacani in die Stadt kamen.
Spartacus überließ es seinen Männern und ihren Frauen, sich im Hafen am Fisch gütlich zu tun; er selbst suchte sogleich den Anführer der dortigen Piraten auf und fragte ihn, ob er Piratenadmirale kenne, die über eine umfangreiche Flotte großer Schiffe verfügten. O ja, man kenne sogar mehrere! war die Antwort.
»Ich möchte sie sprechen«, sagte Spartacus. »Ich will so rasch wie möglich mehrere Tausend meiner besten Kämpfer nach Sizilien übersetzen lassen. Ich zahle jedem tausend Talente Silber, der mir Gewähr geben kann, uns binnen eines Monats hinüberzubringen.«
Spartacus hatte damit begonnen, seine Legaten und Tribunen aus seiner vielsprachigen Kriegerschar heranzuziehen. Nach dem Verlust von Crixus und Oenomaus hatten sich zwei Männer als ihre Nachfolger empfohlen. Castus und Gannicus waren beide Samniter, die mit Mutilus während des Bundesgenossenkrieges und mit Pontius Telesinus im Krieg gegen Sulla gekämpft hatten. Sie waren Krieger durch und durch und besaßen Erfahrung als Truppenbefehlshaber. Spartacus hatte mit der Zeit lernen müssen, daß sein Heerhaufen nur dann wie eine Armee marschierte, wenn der Feind drohte. Viele seiner Soldaten hatten ihre Frauen, nicht wenige Kinder und sogar Eltern und Verwandte im Troß. Kein Oberbefehlshaber konnte eine solch buntscheckige und unberechenbare Menge militärisch führen,
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