MoR 03 - Günstlinge der Götter
ausgerechnet jetzt noch eine zweite Armee in Italien stehen? Auch wenn es eine Armee von Feiglingen war. Pompeius hatte nicht vor, einen Bürgerkrieg zu entfesseln; irgendwie hatte er sich bei diesem Gedanken schon immer unwohl gefühlt. Er hatte den Gedanken nicht aus Loyalität oder Patriotismus verworfen; er war einfach nicht von denselben Gefühlen getrieben wie Sulla. Rom war nicht die Heimat seines Herzens, nicht seine Ehre und nicht der Quell seines Lebens. Seine Heimat würde für immer Picenum sein. Nein, er wollte keinen Bürgerkrieg führen. Aber er mußte den Eindruck erwecken, als ob er dazu bereit wäre.
Und so setzte er sich an den Schreibtisch und entwarf einen Brief an den Senat:
An den Senat von Rom:
Ich, Gnaeus Pompeius Magnus, habe vor sechs Jahren durch Euren Beschluß den Spezialauftrag erhalten, die Rebellion des Quintus Sertorius in Hispania Citerior niederzuwerfen. Wie Ihr wißt, gelang es mir, zusammen mit meinem Kollegen Quintus Caecilius Metellus Pius aus Hispania Ulterior die Revolte niederzuschlagen und den Tod des Quintus Sertorius herbeizuführen. Auch seine verschiedenen Legaten, einschließlich des Schurken Marcus Perperna Veiento, sind tot.
Ich habe keine große Beute gemacht. In einem Land, das durch eine Serie von Katastrophen verwüstet ist, gibt es keine große Beute zu machen. Der Krieg in Spanien gehört zu den wenigen Kriegen, bei denen Rom keinen Profit gemacht hat. Trotzdem fordere ich einen Triumph. Denn ich bin der festen Überzeugung, daß ich Euren Auftrag korrekt erfüllt habe und viele tausend Feinde Roms durch mich gefallen sind. Ich fordere, daß mir dieser Triumph unverzüglich gewährt wird, damit ich in den kurulischen Wahlen, die im Monat Quintilis stattfinden sollen, als Konsul kandidieren kann.
Pompeius hatte eigentlich vorgehabt, den Entwurf von Varro überarbeiten und etwas diplomatischer gestalten zu lassen. Aber nachdem er das kurze Schreiben mehrmals durchgelesen hatte, kam er zu dem Schluß, daß nichts daran verbessert werden konnte. Man durfte nicht zu sanft mit den Senatoren umspringen!
Er lehnte sich gerade zufrieden in seinem Stuhl zurück, als Philippus erschien.
»Gut!« schrie Pompeius, stand auf und schüttelte Philippus die schweißig-schlaffe Hand. »Ich habe hier einen Brief, den du lesen solltest. Du kannst ihn für mich in den Senat bringen.«
»Du forderst deinen wohlverdienten Triumph?« sagte Philippus und nahm mit einem Seufzer Platz. Er hatte den Weg zur Via Recta zu Fuß zurückgelegt, weil ihm eine Sänfte zu langsam gewesen wäre, aber er hatte nicht bedacht, wie weit es war und wie heiß ein Tag im Juni sein konnte, selbst wenn es von der Jahreszeit her immer noch Frühling war.
»Ich verlange schon ein bißchen mehr«, sagte Pompeius und überreichte Philippus grinsend die Wachstafel. »Da, lies! Oder willst du zuerst etwas trinken, mein Lieber?«
Philippus brauchte einige Zeit, um die krakelige Schuljungenschrift des Pompeius zu entziffern. Just in dem Moment, als er beim letzten Satz angelangt war, nahm er den ersten großen Zug verdünnten Wein — und verschluckte sich. Er hustete und spuckte so sehr, daß Pompeius aufstehen und ihm auf den Rücken klopfen mußte, und es dauerte eine ganze Weile, bis Philippus sich soweit erholt hatte, um etwas zu dem Brief sagen zu können.
Aber er sagte nichts. Statt dessen starrte er Pompeius an, als ob er ihn noch nie gesehen hätte. Mit forschendem Blick musterte er den muskulösen Mann, der immer noch seinen Brustpanzer trug, die makellose, leicht sommersprossige Haut, das ungemein attraktive Gesicht mit dem Grübchen im Kinn und den wie bei Alexander goldblonden Haarschopf. Und diese Augen — groß, offen, hellwach und von einem solchen Blau! Pompeius Magnus, der neue Alexander. Was hatte ihn derart erbittert, daß er eine solche Forderung stellte? Der Vater war ein sehr seltsamer Mann gewesen, und der Sohn hatte immer versucht, die Leute zu überzeugen, daß er überhaupt nicht seltsam war. Doch der Sohn war viel seltsamer als der Vater, das wußte Philippus jetzt! Lucius Marcius Philippus war nicht so leicht zu überraschen, aber diesmal war er mehr als überrascht. Dies war ein Schock, der einen Mann glatt umwerfen konnte!
»Das ist doch nicht dein Ernst?« sagte er zaghaft.
»Warum sollte es nicht mein Ernst sein?«
»Magnus, was du verlangst, kann niemals erfüllt werden. Unmöglich! Denn es widerspricht jedem geschriebenen und ungeschriebenen Gesetz. Niemand kann
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