MoR 03 - Günstlinge der Götter
kleinen Leute, die nicht wichtig genug gewesen waren, um unter den Proskriptionen zu leiden, sprachen in letzter Zeit immer häufiger sehnsüchtig von den Tagen, als Sulla Diktator gewesen war. Nach dem Konsulat des Gnaeus Pompeius Magnus aber sollte Sullas Herrschaft in ihrem Gedächtnis wieder einen bescheideneren Platz einnehmen.
Anfang Quinctilis begann die Landbevölkerung in Massen nach Rom zu strömen, und die meisten Besucher wollten bis Mitte September in der Stadt logieren. Auch viele Römer blieben dieses Jahr, selbst wenn sie zu den oberen Klassen gehörten, in der Stadt, anstatt wie sonst an die Küste zu fahren. Pompeius war sich bewußt, daß dies die Verbrechens- und Krankheitsraten beträchtlich steigern konnte, und setzte sein hervorragendes organisatorisches Talent ein, um dieser Gefahr vorzubeugen. Er ließ ehemalige Gladiatoren in den Alleen und Seitengassen der Stadt patrouillieren, befahl den Liktoren, ein Auge auf die Gauner und Betrüger zu haben, die das Forum Romanum und andere Versammlungsorte unsicher machten, ließ die Badebecken des Tribariums vergrößern und bepflasterte unzählige freie Wände mit Plakaten, die dazu aufriefen, gutes Trinkwasser zu verwenden, seine Notdurft nur in den öffentlichen Latrinen zu verrichten, sich die Hände zu waschen und schlechtes Essen zu meiden.
Pompeius war sich nicht sicher, ob die Landleute wirklich alle verstanden, was für eine Sensation es war, daß der erste Konsul Roms vor seiner Wahl nur Ritter gewesen und erst bei seiner Inauguration am Neujahrstag Senator geworden war. Deshalb hatte er beschlossen, ihnen diese Tatsache durch die Parade der Staatspferde zu verdeutlichen. Also hatten seine Zensoren Clodianus und Gellius die transvectio, wie die Parade hieß, wieder ins Leben gerufen, die schon jahrzehntelang nicht mehr stattgefunden hatte.
Gaius Gracchus hatte nämlich die Senatoren auf eine sehr künstliche Weise von den Rittern getrennt. Er hatte sie beispielsweise für die Zenturiatskomitien keine eigenen Zenturien bilden lassen, sondern sie blieben wie eh und je auf die ersten Zenturien der ersten Klasse verteilt. Auch hatte er ihnen das Recht auf ein Staatspferd nicht genommen. Eine solche Maßnahme hätte noch größeren Zorn verursacht, als er mit seinen Reformen ohnehin schon hervorrief. Das Staatspferd war nämlich ein überaus wichtiges Privileg, weil es nur den Mitgliedern der ursprünglichen achtzehn Zenturien zustand, deren Zahl noch immer auf je hundert Mitglieder beschränkt war. Wer eines Staatspferds nicht mehr für würdig befunden wurde, wurde aus den achtzehn führenden Zenturien ausgestoßen, und das hätte sich kein Senator gefallen lassen. Als die Zensoren des Pompeius die transvectio wieder einführten, verfügten trotzdem viele Senatoren über kein Staatspferd mehr, denn sie waren dazu übergegangen, ihren Söhnen, Brüdern oder Neffen, die dem Senatorenstand noch nicht angehörten, das Familienstaatspferd zu überlassen. Andere aber hatten wie Pompeius Strabo eisern an ihrem persönlichen Recht auf das Tier festgehalten, denn es stellte nach wie vor ein gewaltiges Prestigeobjekt dar.
In den politisch unruhigen Zeiten des Gaius Gracchus hatten die Volkstribunen einmal versucht, die Institution des Staatspferds abzuschaffen. Warum, hatten sie gefragt, sollte der Staat ausgerechnet die achtzehnhundert Reittiere jener achtzehnhundert Männer bezahlen, die ein solches Reittier am leichtesten selbst bezahlen konnten? Die Tribunen hatten sich jedoch nicht durchsetzen können. Es hätte den Besitzern der Staatspferde zwar kaum etwas ausgemacht, für ihr Pferd aufkommen zu müssen, aber sie wollten keinesfalls die dignitas verlieren, die mit dem Besitz eines Staatspferds verbunden war. Und so waren die Senatoren nicht in spezielle Zenturien gesteckt worden, und sie hatten das Recht auf ein Staatspferd nicht verloren.
Allerdings hatten die Volkstribunen mit ihrem Sparvorschlag genügend Wirbel gemacht, daß man die Staatspferde aus der Schußlinie nehmen mußte. Nach dem Tod von Gaius Gracchus hatten die Zensoren aufgehört, die jährliche Parade der Staats- pferde an den Iden des Quinctilis abzuhalten — bis der Konsul Gnaeus Pompeius Magnus sie wieder einführte, um mit Hilfe seines Staatspferds Furore zu machen.
Die Parade begann an den Iden des Quinctilis, als sich die achtzehnhundert Inhaber von Staatspferden im Morgengrauen vor dem Tempel des Mars Invictus versammelten, der im Inneren des Circus Flaminius auf dem
Weitere Kostenlose Bücher