MoR 05 - Rubikon
daß das Glück ihn verlassen habe. Niemand war frei von Aberglauben, aber Männer niedriger Abstammung und geringer Bildung waren besonders abergläubisch. Caesar nützte das aus. Denn wenn das Glück von den Göttern kam und seine Soldaten glaubten, er sei vom Glück begünstigt, rückte ihn das in die Nähe der Götter. Und das konnte nicht schaden.
Kurz vor Jahresende bekam Caesar einen Brief von Quintus Cicero, der inzwischen seinem großen Bruder, dem Statthalter von Kilikien, als Legat diente.
Ich hätte Dich nicht so früh zu verlassen brauchen, Caesar. Naja, das ist eine der Strafen, wenn man unter einem Mann gedient hat, der so schnell ist wie Du. Ich nahm an, mein Bruder Marcus würde sich beeilen, nach Kilikien zu kommen, doch mitnichten. Er verließ Rom Anfang Mai und brauchte fast zwei Monate, um nach Athen zu kommen. Warum katzbuckelt er nur dermaßen vor Pompeius Magnus? Es hat etwas mit der Zeit zu tun, in der er als Siebzehnjähriger in der Armee von Pompeius Strabo diente, aber trotzdem halte ich für reichlich übertrieben, was er Pompeius Magnus für dessen Schutz zu schulden glaubt. Unterwegs mußte ich zu meinem Leidwesen zwei Tage in Magnus’ Haus in Tarentum zubringen. Auch wenn ich es versuche, ich mag den Mann einfach nicht.
In Athen warteten wir darauf, daß Marcus’ Militärlegat Gaius Pomptinus zu uns stoßen würde — ich wäre für diese Stelle viel geeigneter gewesen, aber Marcus traute sie mir nicht zu. Dort erfuhren wir auch, daß Marcus Marcellus einen Bürger aus Deiner Kolonie Novum Comum hat auspeitschen lassen. Das ist eine Schande, Caesar Mein Bruder war darüber genauso empört, obwohl ihn die Bedrohung durch die Parther am meisten beschäftigt. Deshalb wollte er Athen auch nicht vor der Ankunft von Pomptinus verlassen.
Einen Monat später überquerten wir bei Laodikeia die Grenze nach Kilikien. Was für ein schöner Ort mit seinen blendend weißen Terrassen, über die kristallklares Wasser stürzt! Die Einheimischen haben in die warmen, sauberen Teiche oben luxuriöse, kleine Marmorbecken eingebaut — genau das richtige für Leute wie Marcus und mich, erschöpft von Staub und Hitze, unter denen wir auf dem ganzen Weg von Ephesus nach Laodiceia gelitten hatten. Es war herrlich, ein paar Tage im Wasser zu baden — es soll sehr gut für die Knochen sein — und herumzuplanschen wie ein Fisch.
Auf der Weiterreise entdeckten wir, wie schrecklich Lentulus Spinther und nach ihm Appius Claudius in dem armen Kilikien gewütet haben. Mein Bruder sprach von dauerhafter Verwüstung und Trostlosigkeit, und das ist keine Übertreibung. Die Bevölkerung der Provinz wurde ausgeplündert, ausgebeutet und vergewaltigt. Alles und jeder wurde so geschröpft, daß nichts mehr übrig ist, unter anderem vom Sohn deiner lieben Freundin Servilia. Ich sage es nur ungern, aber Brutus scheint mit seinem Schwiegervater Appius Claudius gemeinsame Sache gemacht zu haben, und zwar auf jede nur denkbare verwerfliche Weise. So sehr mein Bruder sonst davor zurückschreckt, wichtige Leute zu beleidigen, diesmal schrieb er Atticus, er finde das Verhalten von Appius Claudius in seiner Provinz verabscheuungswürdig. Außerdem ärgerte er sich darüber, daß Appius Claudius ihm aus dem Weg ging.
Wir blieben nur wenige Tage in Tarsus, denn Marcus und Pomptinus wollten die günstige Jahreszeit unbedingt noch für einen Feldzug ausnützen. Die Parther waren in das Gebiet am Euphrat eingefallen, und Ariobarzanee von Kappadokien befand sich in höchster Not, was größtenteils daran lag, daß seine Soldaten fast so schlecht ernährt waren wie die beiden Legionen, die wir in Kilikien angetroffen hatten. Der Grund? Geldmangel. Offenbar hat Appius Claudius den größten Teil des Heeressoldes für sich beansprucht und auch nichts getan, um die beiden Legionen zu verstärken, da er nur etwa die Hälfte der Männer bezahlte, die in seinen Büchern aufgeführt waren. König Ariobarzanes von Kappadokien dagegen hatte nicht genug Geld, um eine anständige Armee zu bezahlen, was hauptsächlich daran liegt, daß der junge Brutus, diese Säule römischer Rechtschaffenheit, ihm Geld zu astronomischen Zinsen geliehen hatte. Mein Bruder war außer sich.
Jedenfalls verbrachten wir die nächsten drei Monate auf einem Feldzug in Kappadokien, eine wahrhaft ermüdende Angelegenheit. Was für ein Dummkopf Pomptinus doch ist! Er braucht Tage, um ein jämmerlich befestigtes Dorf zu erobern, das Du in drei Stunden eingenommen
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