MoR 05 - Rubikon
Entscheidung abnahm. Sie klatschte in die Hände, um einen Diener zu rufen. »Bitte Tertulla, ins Arbeitszimmer zu kommen«, trug sie ihm auf. Dann sah sie wieder Cassius an. »Warum willst du sie heiraten?«
»Ich werde demnächst dreiunddreißig, Servilia. Zeit für mich, eine Familie zu gründen. Ich weiß, Tertulla ist noch minderjährig, aber da wir nun schon einige Jahre verlobt sind, bin ich ja kein Unbekannter für sie.«
»Und erwachsen ist sie auch«, sagte Servilia.
Wie recht sie damit hatte, zeigte sich bereits im nächsten Augenblick, als Tertulla anklopfte und das Zimmer betrat.
Cassius riß verblüfft die Augen auf. Er hatte Tertulla seit fast drei Jahren nicht gesehen — drei Jahre, die entscheidende Veränderungen an ihr bewirkt hatten. Aus dem dreizehnjährigen Mädchen war eine junge Frau geworden. Und wie schön sie war!
Caesars verstorbener Tochter Julia wie aus dem Gesicht geschnitten, auch wenn sie weder deren kühle Schönheit noch deren zierliche Statur besaß. Ihre großen Augen, die weder zu eng nebeneinander noch zu weit auseinander standen, waren von einem ins Grau gehenden Gelbton, ihre dichten Haare waren dunkelblond, und ihr Mund war so verführerisch, daß es einen regelrecht zum Wahnsinn treiben konnte. Goldene, makellose Haut. Köstliche Brüste. O Tertulla!
Bei Cassius’ Anblick lächelte Tertulla erfreut und streckte ihm die Hände entgegen. »Gaius Cassius«, sagte sie mit der rauhen Stimme Julias.
Cassius ging gleichfalls lächelnd auf sie zu und umfing ihre Hände. »Tertulla.« Dann wandte er sich an Servilia. »Darf ich sie fragen?«
»Natürlich«, sagte Servilia, erfreut, daß die beiden einander so offensichtlich mochten.
Cassius nahm Tertullas Hände fester in die seinen. »Tertulla, ich habe um die Erlaubnis gebeten, dich zu heiraten. Deine Mutter« — Brutus hatte er abgeschrieben — »sagt, die Entscheidung liege bei dir. Willst du mich heiraten?«
Ihr Lächeln veränderte sich, wurde verführerisch. Plötzlich war deutlich zu erkennen, daß sie auch die Tochter Servilias war, einer überaus verführerischen Frau. »Sehr gern, Gaius Cassius«, sagte sie.
»Gut!« meinte Servilia knapp. »Cassius, geh mit ihr irgendwo hin, wo ihr euch küssen könnt, ohne daß das halbe Haus und alle Mitglieder der Familie dabei zuschauen. Brutus, du kümmerst dich um die Hochzeitsvorbereitungen. Die Jahreszeit ist dafür günstig, aber wähle den Tag trotzdem sorgfältig aus.« Mit einem grimmigen Stirnrunzeln wandte sie sich wieder an das glückliche Paar. »Raus mit euch, husch!«
Hand in Hand eilten die beiden hinaus, und Servilia blieb mit ihrem Sohn allein. Jetzt endlich sah sie ihn an. Sein Gesicht war pickelig wie immer und von Stoppeln übersät, weil er sich nicht rasieren konnte, seine Augen blickten traurig wie die eines Windhundes, die Lippen waren schlaff und willenlos.
»Ich wußte gar nicht, daß Cassius bei dir ist«, sagte sie.
»Er ist gerade erst gekommen, Mama. Ich hätte dich rufen lassen.«
»Ich muß mit dir sprechen.«
»Worüber?«
»Es geht um gewisse Behauptungen über dich, die in der ganzen Stadt kursieren und über die Atticus zutiefst besorgt ist.«
Brutus’ Gesicht verzerrte sich, was ihm schlagartig ein wesentlich beeindruckenderes Aussehen verlieh und vielleicht Ausdruck dessen war, was in Abwesenheit seiner Mutter tatsächlich in ihm vorging. »Cicero!« stieß er zwischen den Zähnen hervor.
»Genau. Das alte Lästermaul persönlich. Er regt sich über deine Geschäfte als Geldverleiher in seinen Provinzen Kappadokien und Galatien auf, von Zypern ganz zu schweigen.«
»Er kann nicht das Geringste beweisen. Das Geld wurde von zwei meiner Klienten verliehen, Matinius und Scaptius. Ich habe mich lediglich bemüht, die Interessen meiner Klienten zu schützen, Mama.«
»Mein lieber Brutus, du scheinst zu vergessen, daß es mich schon gab, als du für solche Geschäfte noch viel zu klein warst! Matinius und Scaptius sind deine Angestellten! Mein Vater hat das Geschäft aufgebaut, zusammen mit vielen anderen. Es ist gut getarnt, das schon, aber du darfst jemandem mit dem Verstand und Scharfsinn eines Cicero nicht die geringste Munition liefern.«
»Mit Cicero werde ich schon fertig«, sagte Brutus selbstsicher.
»Hoffentlich besser als dein verehrter Herr Schwiegervater mit seinen Problemen!« sagte Servilia barsch. »Er hat während seiner Zeit als Statthalter von Kilikien eine so deutliche Spur seiner Unterschlagungen
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