MoR 05 - Rubikon
Carnutum ist noch vor der Ankunft des nächsten Statthalters verschwunden.«
»In den Briefen, die ich aus Rom bekommen habe, steht, daß er in — gütige Götter, wie die Zeit vergeht — gut drei Monaten abgelöst wird. Die Kalenden des März kommen immer näher! Was will er dann tun? Sobald er sein Imperium nicht mehr hat, wird er von hundert Gerichten angeklagt. Und dann ist er erledigt, Trebonius.«
»Tja, höchstwahrscheinlich«, meinte Trebonius gelassen.
Doch auch Vatinius war nicht auf den Kopf gefallen. »Soweit wird er es nicht kommen lassen, wie?«
»Nein, Vatinius, sicher nicht.«
Sie schwiegen. Vatinius kaute auf seinen Lippen und musterte das traurige Gesicht seines Gegenübers. Ihre Blicke trafen sich und blieben aneinander hängen.
»Dann habe ich also recht«, sagte Vatinius. »Er hat seine Soldaten noch enger an sich gebunden.«
»Richtig.«
»Und notfalls marschiert er nach Rom.«
»Nur, wenn ihm nichts anderes übrigbleibt. Caesar legt schließlich Wert darauf, daß alles in suo anno vor sich geht — ohne Ausnahmegenehmigungen, unter Einhaltung der Zehnjahresfrist zwischen den Konsulaten, immer alles streng legal. Wenn er wirklich nach Rom marschieren muß, Vatinius, wird etwas in ihm sterben. Aber er weiß, daß er auf diese Möglichkeit notfalls zurückgreifen muß. Glaubst du, er würde einen von denen fürchten? Etwa den vielgerühmten Pompeius Magnus? Nein! Sie werden umfallen wie Zielscheiben auf einem Übungsplatz für germanische Speerwerfer. Das weiß er. Aber er will nicht, daß es dazu kommt. Er will, was ihm zusteht, aber auf legale Weise. Nach Rom marschiert er nur, wenn er mit seinem Latein am Ende ist. Sein Ruf ist bisher tadellos, und er will, daß das so bleibt.«
»Er wollte schon immer vollkommen sein«, sagte Vatinius traurig und schauderte. »Beim Jupiter, Trebonius, was wird er mit ihnen tun, wenn sie ihn zum Marsch auf Rom zwingen?«
»Das stelle ich mir lieber gar nicht vor.«
»Laß uns den Göttern opfern, damit die boni zur Vernunft kommen.« »Ich opfere schon seit Monaten, und ich glaube, die boni würden vielleicht sogar zur Vernunft kommen, gäbe es da nicht ein Hindernis.«
»Cato«, sagte Vatinius sofort.
»Cato«, wiederholte Trebonius.
Wieder trat Schweigen ein. Vatinius seufzte. »Wie auch immer, ich gehe mit ihm durch dick und dünn.«
»Ich auch.«
»Wer sonst noch?«
»Decimus, Fabius, Sextius, Antonius, Rebilus, Calenus, Basilus, Plancus, Sulpicius und Lucius Caesar«, zählte Trebonius auf.
»Labienus nicht?«
Trebonius schüttelte heftig den Kopf. »Nein.«
»Warum will er nicht?«
»Caesar will ihn nicht.«
»Aber er äußert sich nie abschätzig über Labienus.«
»Das wird er auch in Zukunft nicht tun. Labienus hofft immer noch, sein Mitkonsul zu werden, auch wenn er weiß, daß Caesar seine Methoden nicht billigt. Aber Caesar hat davon kein Wort an den Senat geschrieben, also hofft Labienus weiter. Aber wenn Caesar nach Rom marschiert, wird er den boni ein Geschenk machen — Titus Labienus.«
»Ach Trebonius, hoffentlich kommt es nicht zum Bürgerkrieg!«
Das hoffte auch Caesar, während er gleichzeitig seine ganze Kraft darauf konzentrierte, im Einklang mit dem mos maiorum , Roms ungeschriebener Verfassung, die Bedrohung durch die boni abzuwehren. Die Konsuln für das nächste Jahr waren gewählt; Lucius Aemilius Lepidus Paullus würde erster, Gaius Claudius Marcellus zweiter Konsul sein. Gaius Marcellus war ein Vetter ersten Grades sowohl des gegenwärtigen zweiten Konsuls, Marcus Marcellus, wie des Mannes, von dem es hieß, er würde im übernächsten Jahr Konsul werden — ein weiterer Gaius Marcellus. Um ihn nicht mit letzterem zu verwechseln, nannte man ihn gewöhnlich Gaius Marcellus den Älteren und seinen Vetter Gaius Marcellus den Jüngeren. Gaius Marcellus der Ältere war ein unerbittlicher Feind Caesars, auf ihn konnte Caesar nicht hoffen. Anders Paullus. Er war wegen Beteiligung an dem von seinem Vater Lepidus angezettelten Aufstand verbannt worden und wurde erst sehr spät Konsul, und das auch nur, weil er die Basilica Aemilia, das imposanteste Bauwerk auf dem Forum Romanum, wieder aufgebaut hatte. An dem Tag, an dem Publius Clodius im Senat verbrannte, war es allerdings zu einer Katastrophe gekommen. Die fast vollendete Basilica Aemilia war ebenfalls abgebrannt, und Paullus fehlte das Geld, noch einmal von vorn zu beginnen.
Paullus hatte zwar keinen Einfluß, und Caesar wußte das, aber er kaufte ihn
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