MoR 05 - Rubikon
ist und ich sie entlasse — ohne ein Stück Land in Italia oder Gallia Cisalpina. Von mir aus können sie in eine Kolonie bei Narbo gehen.« Er entließ die Legaten mit einem Nicken.
Fabius und Trebonius kehrten in ihre Quartiere zurück. Beide schwiegen.
Nach einer Weile sagte Fabius: »Trebonius, bilde ich mir das nur ein, oder hat sich Caesar verändert?«
»Du meinst, er ist härter geworden?«
»Ich weiß nicht, ob härter das richtige Wort ist. Er ist... nun, er ist sich seiner Besonderheit mehr bewußt. Könnte es das sein?«
»Auf jeden Fall!«
»Und warum?«
»Er hat viel erleben müssen, und ein geringerer Mann wäre wahrscheinlich daran zerbrochen. Was ihn aufrecht gehalten hat, war sein Selbstvertrauen. Aber durch die Meuterei der Neunten ist etwas in ihm zerbrochen. Daß ihm das jemals passieren könnte, hätte er in seinen schlimmsten Träumen nicht gedacht. Es war in vieler Hinsicht schlimmer für ihn, als den Rubikon zu überschreiten.«
»Aber er glaubt immer noch an sich.«
»Er wird noch an sich glauben, wenn er auf dem Totenbett liegt«, sagte Trebonius. »Aber heute wurde sein Selbstbewußtsein zutiefst erschüttert. Caesar will vollkommen sein, nichts darf ihn herabwürdigen.«
Fabius runzelte die Stirn. »Er fragt immer öfter, warum niemand glaubt, daß er diesen Krieg gewinnt.«
»Er regt sich eben mehr über die Dummheit der Leute auf als früher. Stell dir doch vor, was es bedeutet zu wissen, daß kein anderer dir das Wasser reichen kann. Und Caesar weiß das. Er kann alles, das hat er schon oft unter Beweis gestellt, und er will für das, was er ist, anerkannt werden. Aber statt Anerkennung bekommt er Widerstand. Mit diesem Krieg will er den anderen beweisen, was wir beide — und er selbst — längst wissen. Er ist jetzt über fünfzig und kämpft immer noch um seine Anerkennung. Kein Wunder, daß er da etwas dünnhäutig geworden ist.«
Anfang November setzten sich die zwölf Legionen in Marsch, die in Placentia versammelt waren. Sie hatten zwei Monate Zeit für die fünfhundertfünfzig Meilen lange Strecke nach Brundisium, und sie marschierten an der Adriaküste entlang, um nicht den Apennin überqueren zu müssen und das Umland von Rom zu meiden. Pro Tag sollten zwanzig Meilen zurückgelegt werden, jeder zweite oder dritte Tag war zur Rast vorgesehen. Für die Legionäre war es, zumal zu dieser Zeit im Herbst, wie ein wunderbarer Urlaub.
Caesar selbst reiste von Ariminum, das ihn genauso begeistert willkommen hieß, wie es ihn schon zu Jahresbeginn empfangen hatte, auf der Via Flaminia nach Rom. Er zog über sanfte Hügel, vorbei an befestigten Städtchen, die auf Gipfeln und Felsspitzen thronten, und freute sich an den saftigen Weiden und den weiten Wäldern, deren Tannen, Lärchen, Kiefern und Pinien noch auf Jahrhunderte hinaus Bauholz liefern würden, denn die Bewohner Italias mit ihrem Sinn für Schönheit gingen mit der Natur sorgsam um. Für Caesar war die Reise eine Wohltat, und er ließ sich Zeit. Er hielt in jeder Stadt, um sich nach den Wünschen und Bedürfnissen der Bewohner und nach Roms Versäumnissen zu erkundigen. Er sprach mit den Duumvirn auch ganz kleiner römischer Städte, als seien sie für ihn genauso wichtig wie die römischen Senatoren. Sie waren sogar noch wichtiger, stellte er fest. Denn Rom, wie jede Großstadt bis zu einem gewissen Grad ein künstliches Gebilde, saugte mit all seinen Auswüchsen die Lebenskraft des Landes aus, oft auf Kosten kleinerer Orte, die dazu verdammt waren, Rom durchzufüttern, Rom, das Kuckucksei im Nest Italias.
Zugleich stellte Rom mit seiner Größe und Pracht alles andere in den Schatten, wie Caesar zugeben mußte, als er sich der Stadt von Norden her näherte. Sein Besuch Anfang April war unter so schwierigen Umständen erfolgt, daß er der Stadt selbst keine Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Nun aber betrachtete er mit Gefallen die sieben Hügel, die mit hellroten Ziegeldächern gesprenkelt waren, und freute sich am Glitzern der vergoldeten Tempeldächer, an den hohen Zypressen, den Pinien, den Bögen der Aquädukte und dem tiefblauen, schnell in seinem breiten Bett dahinfließenden, guten, alten Tiber zwischen dem grünen Marsfeld und dem grasbedeckten Vaticanus ager.
Die Einwohner der Stadt eilten zu Tausenden und Abertausenden vor die Tore, um ihn zu empfangen. Gesichter strahlten, und sein Pferd ging über einen Teppich aus Blumen. Die Menschen jubelten und warfen ihm Küsse zu, und Mütter hielten ihre
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