MoR 05 - Rubikon
Wie alt sie geworden waren! Siebzig? Achtzig? Aber es war egal. Sie freuten sich jedenfalls von Herzen, ihn wiederzusehen. Und die vielen Söhne von Cardixa und Burgundus! Einige von ihnen hatten auch schon graue Haare. Aber nur Burgundus durfte Caesar aus dem scharlachroten Mantel und dem Brustpanzer helfen. Caesar hatte seine liebe Not, wenigstens die Schärpe seines Imperiums selbst entfernen zu dürfen.
Schließlich ließen sie ihn zu seiner Frau gehen, die nicht zu seinem Empfang gekommen war. Zu warten entsprach eher ihrer Art, geduldig wie einst Penelope, die ihr Leichentuch webte. Er fand sie in Aurelias ehemaligen Gemächern, die allerdings keinen Hinweis mehr auf seine Mutter enthielten. Da er barfuß war, kam er so leise wie eine ihrer Katzen. Calpurnia saß auf einem Sessel, den dicken, roten Felix auf dem Schoß; sie hörte ihn nicht. Ihm fiel auf, wie hübsch sie war mit ihren dunklen Haaren, dem langen, anmutigen Hals, den zarten Wangenknochen und den schönen Brüsten.
»Calpurnia!«
Kaum hatte er ihren Namen ausgesprochen, drehte sie sich auch schon um und sah ihn mit ihren großen, dunklen Augen an. »Herr!«
»Caesar, nicht Herr.« Er beugte sich hinunter, um sie mit einem liebevollen Kuß zu begrüßen, wie er einer Ehefrau gebührte, die Caesar wenige Monate nach der Hochzeit verlassen und viele Jahre nicht mehr gesehen hatte. Er setzte sich in einen Sessel neben sie und betrachtete ihr Gesicht. Lächelnd strich er ihr eine Haarsträhne aus der Stirn. Der schlummernde Kater hatte die Gegenwart des Fremden gespürt und öffnete ein gelbes Auge, dann drehte er sich auf den Rücken und streckte alle Viere in die Luft.
»Er mag dich«, sagte Calpurnia. Sie klang überrascht.
»Mit gutem Grund. Schließlich habe ich ihn vor dem Ertrinken gerettet.«
»Das hast du mir nie erzählt.«
»Nein? Nun, irgendein Bursche wollte ihn damals im Tiber ertränken.«
»Dann sind wir dir beide dankbar, Caesar.«
In der Nacht lagen sie beisammen. Caesar hatte seinen Kopf zwischen ihre Brüste gebettet und streckte sich seufzend. »Ich bin so froh, daß Pompeius mich nicht seine Tochter hat heiraten lassen, diesen alten Drachen. Mit einundfünfzig bin ich zu alt für Zank und Machtkämpfe — zu Hause und in der Öffentlichkeit. Du paßt gut zu mir, Calpurnia.«
Auch wenn diese Worte Calpurnia tief im Innern kränkten, begriff sie doch, wie vernünftig sie waren und daß Caesar sie nicht aus Bosheit gesagt hatte. Eine Heirat war ein Geschäft, das galt für sie genauso, wie es für die streitsüchtige Pompeia Magna gegolten hätte. Sie hatte es nur den Umständen zu verdanken, daß sie Caesars Frau geblieben war. Wie froh sie darüber gewesen war! Die Wochen zwischen dem Tag, an dem ihr Vater ihr mitgeteilt hatte, daß Caesar sich von ihr scheiden lassen und Pompeius’ Tochter heiraten wolle, und dem Tag, an dem sie erfahren hatte, daß Pompeius Caesars Antrag abgelehnt hatte, waren schrecklich gewesen. Ihr Vater Lucius Calpurnius Piso hatte nur an das viele Geld gedacht, mit dem Caesar sich von ihr loskaufen wollte; Calpurnia hatte voller Schrecken an die neue Ehe gedacht, die ihr Vater für sie arrangieren würde. Selbst wenn sie Caesar nicht geliebt hätte, hätte sie doch nicht umziehen wollen. Sie hätte ihre Katzen abgeben und sich in einem völlig neuen und anderen Leben einrichten müssen. Das zurückgezogene Leben in der Domus Publica sagte ihr zu; sie hatte ihre Freiheiten, und Caesars Besuche waren wie die eines Gottes, der wußte, wie er sie erfreuen konnte. Und Caesar war der Erste Mann Roms.
Publius Servilius Vatia Isauricus war ein ruhiger Mann. In seiner Familie hielt man viel auf Treue. Sein Vater, ein Angehöriger des plebejischen Adels, war einer der wichtigsten Anhänger Sullas gewesen und hatte treu zu ihm gehalten, bis der schwierige Mann gestorben war. Da auch Publius Senior ein ruhiger Mann gewesen war, hatte er sein Ansehen in Rom nach Sulla wahren können und den großen Einfluß behalten, den ein alter Name und ein großes Vermögen mit sich brachten. In Caesar hatte er vielleicht etwas von Sulla entdeckt, jedenfalls hatte er in seinen letzten Jahren eine Zuneigung zu ihm entwickelt. Sein Sohn führte die Familientradition fort. Als Prätor unter den Konsuln Appius Claudius Censor und Ahenobarbus hatte er die Ängste der boni beschwichtigt, indem er einen Legaten Caesars namens Gaius Messius anklagen ließ. Untreu geworden war er Caesar damit freilich nicht; Messius hatte für
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