MoR 05 - Rubikon
Pegel des Todes nicht überschreitet! Zwei Dürren in zwei aufeinanderfolgenden Jahren würden die To-she-Oase und den Moeris-See austrocknen, und niemand in Ägypten hätte noch etwas zu essen. Meine Einnahmen würden empfindlich zusammensahrumpfen, und ich hätte kein Geld mehr, um Lebensmittel zu kaufen — wenn es überhaupt Getreide auf dem Markt gäbe, denn von Makedonien und Griechenland bis Syrien und Ägypten herrscht überall Dürre. Die Lebensmittelpreise werden steigen, bis der Nil wieder steigt, und in der Zwischenzeit werden du und deine beiden Kumpane die Alexandriner gegen mich aufhetzen.«
»Ihr seid doch die Pharaonin, meine Königin«, flötete Potheinus, »Ihr habt den Schlüssel zu den Schatzkammern von Memphis.«
Die Königin sah ihn verächtlich an. »Gewiß doch, Haushofmeister! Aber wie du genau weißt, würden die Priester nie zulassen, daß ich die ägyptischen Schätze dafür verwende, Alexandria vor dem Hungertod zu bewahren. Warum sollten sie auch? Kein geborener Ägypter darf in Alexandria leben, geschweige denn das Bürgerrecht besitzen. Und ich werde das auch nicht ändern, weil ich nämlich nicht will, daß meine besten und treusten Untertanen die alexandrinische Pest bekommen!«
»Nun, meine Königin, dann verheißt Euch die Zukunft nichts Gutes.«
»Du hältst mich für eine schwache Frau, Potheinus, aber das ist ein schwerer Fehler! Vergiß nicht, daß ich Ägypten bin!«
Kleopatra hatte Hunderte von Dienern und Dienerinnen, aber nur zwei waren ihr lieb, Charmian und Iras, die Töchter makedonischer Adliger. Schon im Kindesalter waren sie als gleichaltrige Gespielinnen der zweitgeborenen Tochter von König Ptolemaios Auletes und Königin Kleopatra Tryphaena in den Palast gekommen, und sie hatten Kleopatra durch all die stürmischen Jahre und schweren Zeiten begleitet. Sie waren bei ihr, als Ptolemaios Auletes sich von Kleopatra Tryphaena hatte scheiden lassen und eine Stiefmutter an die Stelle der Mutter getreten war. Sie hatten mit ihr Auletes’ Verbannung erlebt und Kleopatra in das dreijährige Exil in Memphis während der Herrschaft ihrer älteren Schwester Berenike und ihrer Mutter Kleopatra Tryphaena begleitet; sie hatten mit ihr die schreckliche Zeit nach Kleopatra Tryphaenas Tod verbracht, als Berenike verzweifelt nach einem Gemahl suchte, den die Alexandriner akzeptieren würden, sie waren bei der Rückkehr des Auletes auf den Thron an ihrer Seite gewesen, und sie hatten mit ihr jenen furchtbaren Tag erlebt, an dem Auletes seine eigene Tochter Berenike getötet hatte.
Charmian und Iras waren Kleopatras einzige Vertraute. Und so erzählte sie ihnen auch von der Audienz, die sie Gnaeus Pompeius gewährt hatte.
»Potheinus wird langsam unerträglich dreist«, sagte sie.
»Wahrscheinlich wird er bald versuchen, dich zu stürzen«, meinte die schöne, schwarzhaarige Charmian.
»Ja. Ich müßte eigentlich nach Memphis fahren und den Göttern opfern«, sagte Kleopatra unruhig. »Aber Alexandria jetzt zu verlassen wäre ein schwerer Fehler.«
»Soll ich Antipater am Hof des Hyrcanus schreiben und um Rat bitten?«
»Das wäre völlig nutzlos; er steht auf der Seite Roms.«
»Wie war Gnaeus Pompeius denn?« fragte die schöne, blonde Iras, die sich weniger für Politik interessierte als für Männer.
»Ein Makedone, aus demselben Holz wie Alexander der Große.«
»Hat er dir gefallen?« beharrte Iras mit schwärmerisch verschleiertem Blick.
Kleopatra sah sie verzweifelt an. »Um die Wahrheit zu sagen, ich verabscheue ihn zutiefst, Iras! Überhaupt, was ist das für eine dumme Frage? Mich bekommt nur, wer göttlich ist wie ich. Wenn du Lust auf Gnaeus Pompeius hast, dann schlafe doch mit ihm. Du bist eine junge Frau, die sowieso verheiratet sein sollte. Ich aber bin Pharaonin, eine Göttin auf Erden; wenn ich mich vermähle, tue ich das nicht zu meinem Vergnügen, sondern für Ägypten.« Ihr Gesicht verhärtete sich. »Und glaube mir, nur für Ägypten werde ich die Kraft haben, der kleinen Schlange, die mein Bruder ist, meinen unberührten Körper zu schenken!«
Mit großer Erleichterung brach Pompeius Magnus Anfang Dezember auf der Via Egnatia in Richtung Westen nach Dyrrhachium auf. Den Statthalterpalast in Thessalonike mit dem halben Römischen Senat teilen zu müssen, war ein Alptraum gewesen. Alle waren von ihren Aufgaben inzwischen wieder zurückgekehrt, von Cato bis zu seinem geliebten ältesten Sohn, der eine schlagkräftige Flotte aus Alexandria
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