MoR 05 - Rubikon
Caelius auch. Milo, der in der blendend weißen Toga des Kandidaten für das Konsulat erschienen war, hörte ihm mit einer wirkungsvollen Mischung aus Interesse und Bescheidenheit zu. Den ersten Schlag auszuteilen war eine gute Taktik, und Caelius war ein blendender Redner. Als er Milo aufforderte, das Wort zu ergreifen, gab dieser seine Version des Zusammenstoßes auf der Via Appia zum besten und lastete Clodius die volle Schuld an. Er hatte die Rede gut vorbereitet und klang überaus glaubhaft. Nachdenklich gingen die Menschen nach Hause. Milo hatte sie daran erinnert, daß Clodius schon lauge vor der Existenz rivalisierender Straßenbanden Gewalt angewendet hatte und daß er der Feind der Ersten und auch der Zweiten Klasse war.
Milo begab sich vom Forum zum Marsfeld. Pompeius war wieder zu Hause.
»Es tut mir sehr leid, Titus Annius«, sagte Pompeius’ Verwalter, »aber Gnaeus Pompeius ist indisponiert.«
Schallendes Gelächter drang aus dem Innern des Hauses, und dann war deutlich Pompeius’ Stimme zu hören: »Nein, Scipio, das darf nicht wahr sein!«
Milo erstarrte. Scipio? Was taten Metellus Scipio und Pompeius hinter verschlossenen Türen? Zitternd vor Angst kehrte er in die Stadt zurück.
Pompeius hatte in Rätseln gesprochen. Hatte er ihm tatsächlich ein Versprechen gegeben? »Das wäre zumindest eine naheliegende Interpretation«, hatte er gesagt. Damals war ihm das völlig klar erschienen: Räume Clodius aus dem Weg, und ich werde dich belohnen. Aber hatte Pompeius das wirklich gemeint? Milo benetzte seine trockenen Lippen und schluckte. Er war zügig gelaufen, aber sein Herz schlug trotzdem ungewöhnlich schnell für jemanden, der so gut in Form war wie Titus Annius Milo.
»Beim Jupiter!« schimpfte er. »Er hat mich aufgehetzt! Er liebäugelt mit den boni , und ich bin nur ein willkommenes Werkzeug. Die boni mögen mich zwar, aber mögen sie mich auch noch, wenn sie Magnus auf ihrer Seite haben?«
Eigentlich hatte er Pompeius sagen wollen, daß er von seiner Kandidatur zurücktreten würde. Aber jetzt nicht mehr! Nein!
Plancus Bursa, Pompeius Rufus und Sallustius Crispus beriefen eine weitere Volksversammlung ein, um auf Caelius und Milo zu antworten. Die Versammlung war genauso gut und von denselben Männern besucht wie die vorangegangene. Der beste Redner der drei war Sallustius, und er schickte den gepfefferten Reden von Bursa und Pompeius Rufus eine noch bessere nach.
»So ein Gewäsch!« rief Sallustius. »Man nenne mir einen guten Grund, warum ein Mann, der nur dreißig mit Schwertern bewaffnete Sklaven dabeihat, einen Mann mit einer Leibwache aus hundertfünfzig Schlägern angreifen sollte, alle voll ausgerüstet mit Panzern, Helmen und Beinschienen und bewaffnet mit Schwertern, Dolchen und Speeren? So ein Schwachsinn! Publius Clodius war doch kein Dummkopf! Nicht einmal Caesar hätte in solch einer Situation angegriffen! Er hat zwar schon einige spektakuläre Dinge mit wenig Leuten zustandegebracht, Quiriten, aber nur, wenn er glaubte, daß er gewinnen konnte! Und eignet sich die Via Appia für eine zahlenmäßig unterlegene Gruppe als Schlachtfeld? Flach wie ein Brett, keinerlei Rückzugsmöglichkeit und dort, wo es passierte, keine Hilfe zur Hand! Wenn es tatsächlich so war, wie Milo und sein Sprachrohr Caelius behaupten, warum mußte dann ein wehrloser Wirt sterben? Sie wollen uns glauben machen, Clodius habe ihn getötet! Warum? Milo und nicht Clodius profitiert von dem verabscheuungswürdigen Mord an dem armen Mann! Und Milo hat seine Sklaven freigelassen und sie so großzügig ausgezahlt, daß sie sich in alle Winde zerstreut haben. Niemand kann mehr ihre Spur verfolgen, geschweige denn sie finden! Und wie raffiniert es war, seine hysterische Frau zu dem Mordunternehmen mitzunehmen! Quintus Fufius Calenus, der einzige Mann, der in der Lage gewesen wäre, uns den wirklichen Sachverhalt zu schildern, war so beschäftigt, im carpentum die in Panik geratene Dame zu beruhigen, daß er nichts dazu sagen kann — und ich glaube ihm, ich kenne die Dame nämlich gut!«
Einige kicherten.
»Er hat nichts gesehen! Nur die Mörder selbst, Milo und seine Kumpane, können bezeugen, wie Clodius tatsächlich umgekommen ist. Ganz Rom weiß, daß Publius Clodius’ Einfluß verheerend war, und viele von uns waren mit seinen Methoden keineswegs einverstanden. Das gleiche gilt freilich auch für Milo, dessen Methoden sogar noch verfassungswidriger sind als die des Clodius. Warum einen Rivalen
Weitere Kostenlose Bücher