Morag und der magische Kristall
und er das Auge weiterhin benutzt, wird Marnoch Mor zerstört werden, bevor wir wissen, wie uns geschieht. Und dann wird er den Kristall gegen den Rest der Welt einsetzen. Das dürfen wir nicht zulassen. Ich will keine Sklavin sein! Wir müssen etwas tun, und wir müssen es jetzt tun, bevor es zu spät ist. Wenn wir nichts unternehmen, wird Devlish das Auge benutzen, und das wird für uns alle in einer Katastrophe enden.«
»Das Menschenkind hat recht«, sagte Shona. »Wenn Devlish weiß, dass Montgomery sich das Auge holen will, wird er alles in seiner Macht Stehende tun, um ihn daran zu hindern, und das schließt den Einsatz von dunkelster Magie ein. Wir haben keine Zeit, um auf Montgomery zu warten. Wir müssen selbst etwas unternehmen.«
»Aber ich muss ihn trotzdem warnen«, meinte Bertie sehr besorgt. »Es wird nur eine Minute dauern.«
»Einverstanden«, erwiderte die Drachenfrau. »Aber beeil dich, wir haben nicht viel Zeit. Wir müssen sofort nach Murst aufbrechen, bevor Devlish auf die Insel zurückkehrt.«
Bertie schloss die Augen und stimmte einen leisen Singsang an. Binnen einer Minute erschien eine kleine Fledermaus am Himmel und flatterte um seinen Kopf herum. Shona beobachtete sie furchtsam, während sie auf Berties Schulter landete. Sie mochte auch keine Fledermäuse; sie fand, dass sie Ratten einfach zu ähnlich waren – nur mit Flügeln. Sie rückte ein wenig von dem Tier ab, während Bertie etwas in das kleine Ohr der Fledermaus flüsterte. Als er fertig war, flog sie davon und verschwand in der dunklen, stürmischen Nacht.
»Jetzt wird Montgomery zumindest gewarnt sein«, sagte er ein wenig entspannter.
»Nun, da das erledigt ist, lasst uns aufbrechen«, meinte Morag. »Shona, bist du kräftig genug, um zu gehen?«
Die Drachenfrau stand auf und reckte sich vorsichtig. Dann schüttelte sie Kopf und Schwanz wie ein Hund nach einem Bad.
»Ja«, antwortete sie, als all das Geschüttel vorüber war. »Ich denke, ich werde zurechtkommen.«
»Gut. Shona, wie kommen wir nach Murst? Kannst du fliegen?«, fragte Morag.
Shona schüttelte den Kopf und lächelte. »Ich fürchte, diese Art von Drache bin ich nicht. Nein, wir müssen nach Oban gehen und dort nach dem Fischer suchen, der uns nach Murst hinüberbringen kann.«
»Und wie kommen wir nach Oban?«, erkundigte sich Morag, die bei der Aussicht auf ein Abenteuer plötzlich sehr aufgeregt war, obwohl sie wusste, dass es sehr wahrscheinlich sehr gefährlich werden würde.
»Wir müssen nach Glasgow fahren und von dort aus nach Norden reisen.«
»Aber das ist meilenweit entfernt«, rief Morag verzweifelt. »Wir werden niemals rechtzeitig ankommen.«
»Das werden wir, wenn wir die U-Bahn nehmen«, erklärte Aldiss.
»Die U-Bahn?«, fragte Morag verwirrt.
»Kommt«, sagte er und wandte sich zum Gehen. »Wenn wir uns beeilen, erwischen wir vielleicht noch den letzten Nachtzug.«
Mit großer Anstrengung halfen sie der erschöpften Shona auf die Füße und führten sie über den unebenen Dünenpfad den Hügel hinunter und zurück zu der Höhle. Obwohl sie ein ziemlich kleiner Drache war, mussten sie sie doch ein wenig quetschen, um ihren schuppigen Körper durch den Eingang der Höhle zu zwängen. Mit einem kleinen Stoß von hinten durch Morag und ein wenig Gezerre von vorn durch Bertie und Aldiss gelang es ihnen, Shona hineinzubugsieren. Dann standen sie alle da, sahen einander an und wussten nicht recht, was sie als Nächstes tun sollten. Morag wandte sich Hilfe suchend an Bertie.
»Wohin jetzt?«, fragte sie.
»Ich bin mir nicht ganz sicher«, erwiderte er, und auf seiner Stirn erschien eine kleine Falte. Er hob den Flügel an den Schnabel und dachte gründlich nach. »Ich weiß, dass hier irgendwo ein Zugang ist. So steht es auf Aldiss’ Karte, aber ich kann mich nicht recht daran erinnern, wo. Es ist Jahre her, dass ich in diesen Höhlen war – Jahre – und noch länger, dass ich die U-Bahn genommen habe. Ich frage mich, ob sie immer noch diese rosafarbenen Samtsitze haben! Sie waren wunderbar, so bequem!«
»Bertie!«, sagte Morag scharf. Der Vogel zuckte zusammen. »Konzentrier dich! Wir haben nicht viel Zeit, erinnerst du dich?«
»Oh ja, ja, ich habe mich für einen Moment ganz und gar vergessen.« Er ging in der Höhle auf und ab und spähte durch die Düsternis zu der gegenüberliegenden Höhlenwand. Er machte öfter »Hmmmm« und hie und da hörten sie ein »A-ha!« von ihm, aber es schien ihm nicht zu gelingen, den Eingang
Weitere Kostenlose Bücher