Morag und der magische Kristall
ihrer Gefangenen geschlungen, aber nicht so fest, dass die Alte nicht atmen konnte.
»Antworte mir, alte Frau, oder ich drehe dir den Hals um!«, warnte sie, und ihre Nüstern blähten sich.
»Ich weiß nichts«, stieß die Frau jämmerlich hervor. »Gar nichts, ich schwöre es.«
Shona schüttelte sie abermals und drückte fester zu. Bertie flatterte erschrocken mit den Flügeln, und Aldiss sprang von einem Fuß auf den anderen, während das Gesicht der Frau hellrot anlief und sich dann langsam purpurn färbte. Sie drängten Shona, ihr nichts anzutun, aber die Drachenfrau ignorierte sie und drückte noch ein wenig fester zu.
»Ich … weiß … nichts!«, keuchte die alte Frau, um Atem ringend. Sie riss an den Klauen des Drachen, war aber nicht stark genug, um sich von ihnen zu befreien.
»Oma Eleanor!«
Als Shona sich umdrehte, sah sie ein reizloses, junges Mädchen in Jeans und einer rüschenbesetzten rosafarbenen Schürze in der Tür stehen. Das Gesicht des Mädchens war aschfahl vor Angst. Ohne einen Gedanken an ihre eigene Sicherheit zu verschwenden, lief sie auf die Drachin zu und begann, auf deren schuppige Haut einzudreschen.
»Lass meine Oma los!«, flehte sie. »Lass sie los!« Ihre Fäuste prallten, ohne Schaden anzurichten, von Shonas Flanke ab. Die Drachenfrau zuckte kaum mit der Wimper.
»Verrate mir, wo meine Freundin ist, und ich werde es in Erwägung ziehen!«, zischte sie, während die alte Frau in ihrem Griff erschlaffte.
»Oooh! Oma!«, schrie das junge Mädchen voller Angst. »Lass sie gehen, bitte. Sie ist dreihundertachtzig, um Gottes willen! Eine alte Frau!«
»Was hat sie mit dem Kind gemacht?«, fragte Shona.
Das Mädchen blickte von dem Drachen zu seiner Großmutter und wieder zurück.
»Das darf ich nicht sagen«, antwortete sie schließlich. »Sie würde mich umbringen.«
Shona schüttelte die alte Frau, sodass ihre schlaffen Glieder hin und her schwangen. Das Mädchen schrie auf.
»Du solltest besser hoffen, dass sie dich erwischt, bevor ich es tue«, sagte die Drachenfrau leise.
»Na schön, na schön. Ich werde es dir sagen. Oma hat sie an MacAndrew verkauft. Auf dem Rückweg nach Murst war er gestern Nacht hier. Oma hatte mitbekommen, dass sie dort drüben nach weiteren menschlichen Sklaven suchen, und sie dachte, das Mädchen, das ihr dabeihattet, wäre perfekt. Sie ist noch ein wenig klein, aber es heißt, wenn man sie jung bekommt, gehören sie einem fürs Leben.«
Bertie und Aldiss tauschten einen ängstlichen Blick.
»MacAndrew ist während der Nacht gekommen und hat sie aus dem Bett geholt, während ihr geschlafen habt. Vergesst sie. Er bringt sie jetzt nach Murst, also werdet ihr sie nie wiedersehen. Das ist alles, was ich weiß.«
»Aber warum haben wir nichts gehört?«, fragte Bertie.
»Hat man uns betäubt?«, hakte Shona nach.
»Ja, ja. Sie hat euch betäubt. Sie hat euch einen Schlaftrunk in eure heiße Schokolade gemischt. Das war die einzige Möglichkeit, wie sie euch von dem Mädchen trennen konnte«, schluchzte die Enkelin. »Jetzt setz meine Oma ab, ja? Sie ist zu alt für so etwas.«
Die Drachin drehte sich zu Bertie und Aldiss um, die beide nickten; sie fanden ebenfalls, dass Shona die alte Frau loslassen sollte. Und sie waren sehr erleichtert, als Shona tat wie geheißen. Shona dagegen dachte nicht an das Wohlergehen der alten Dame – sie setzte sie keineswegs sanft ab. Stattdessen öffnete sie abrupt ihre Klauen und ließ die betagte Köchin mit einem vernehmlichen Krachen zu Boden fallen. Das junge Mädchen lief zu seiner Großmutter und nahm sie weinend in die Arme.
»Oh, Oma, Oma«, rief sie. »Wach auf, Oma, wach auf! Es ist alles gut, der Drache hat dich losgelassen.«
Während Shona, Bertie und Aldiss zusahen, öffnete sich zuerst das eine Auge der alten Frau, dann das andere. Sie blinzelte und runzelte die Stirn.
»Du greinende, dumme Närrin!«, keifte sie ihre Enkelin an. »Du hast ihnen alles erzählt! Wie oft habe ich dir gesagt, dass du den Mund halten sollst?«
»Aber …«, wimmerte das Mädchen. »Der Drache hätte dich getötet.«
Die Alte funkelte Shona an. »Nein, das hätte er nicht getan«, zischte sie. »Ich habe mich bewusstlos gestellt, damit er dachte, ich sei tot. Und dann bist du gekommen und hast alles ruiniert.«
Sie erhob sich unsicher. »Und jetzt hast du ihnen alles erzählt!«
»Es tut mir leid, Oma!«, jammerte das verwirrte Mädchen.
»Es wird dir noch leidtun, du dummes Ding! Ich nehme an, ich
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