Morag und der magische Kristall
wollenen Kapuzenumhang bedeckt wurden, hatte sich zu ihm gesellt. Die beiden waren tief ins Gespräch versunken, was den Mann jedoch nicht daran hinderte, abermals zu ihr hinüberzuschauen. Morags Herz setzte einen Schlag aus. Sie wünschte sich sehnlichst, weit fort von diesem Restaurant zu sein.
Nach dem Essen führte die alte Frau sie zu zwei Zimmern im oberen Stockwerk des Gebäudes. Sie stiegen an der Glasseite des Hauses drei Treppen empor und oben angekommen waren sie alle ziemlich erschöpft.
Die alte Frau schloss mit einem uralten Eisenschlüssel die erste Tür auf. Die Tür knarrte unheimlich. Dann reichte sie Morag einen Kerzenhalter, in dem eine schwankende Kerze stand.
»Bitte schön, Kleine«, sagte sie mit einem schwachen Lächeln. »Ich hoffe, du schläfst gut«, fügte sie bedeutungsvoll hinzu. Dann wandte sie sich an die anderen.
»Folgt mir, ihr werdet alle nebenan untergebracht. In dem größeren Zimmer«, erklärte sie und zog einen zweiten Eisenschlüssel hervor, den sie in das Schloss der Tür zu dem Zimmer neben dem von Morag schob.
»Da wären wir. Ich hoffe, ihr werdet es behaglich haben«, sagte sie, drückte die Tür auf und geleitete Shona, Bertie und Aldiss hindurch. »Wenn es sonst nichts gibt, wünsche ich eine gute Nacht.«
Ohne ein weiteres Wort machte sie auf dem Absatz kehrt und schlurfte den Flur entlang zur Treppe. Als sie vorbeiging, überlief Morag ein Frösteln. Es gefiel ihr hier überhaupt nicht, aber sie war zu müde, um irgendetwas anderes zu tun, als zu Bett zu gehen. Den Kerzenständer noch in der Hand, blieb sie zögernd an der Tür stehen.
»Wir sollten uns wohl alle besser hinlegen«, begann Morag, die sich keineswegs auf die Aussicht freute, allein in dem Zimmer zu bleiben. »Gute Nacht, Bertie, Aldiss und Shona!«
»Gute Nacht, Morag«, rief Aldiss.
»Schlaf gut«, sagte Shona.
»Süße Träume«, murmelte Bertie.
Morag trat ein und schloss die Tür. Es war ein kleiner, schlichter Raum mit einem bequem aussehenden Bett in der Ecke und einem kleinen Nachttisch. Zu müde, um sich auszuziehen, streifte sie ihre Stiefel ab und schlüpfte unter die Laken. Als sie Henry von ihrem Hals nehmen wollte, meldete dieser sich plötzlich zu Wort.
»Halt, lass mich, wo ich bin«, sagte er freundlich. »Ich werde dich vor dem schützen, was dich beunruhigt, was es auch sein mag.«
»Das ist es ja gerade«, flüsterte Morag. »Ich weiß nicht, was mich beunruhigt. Ich müsste mich eigentlich wohlfühlen. Die Reise hierher war schön, das Essen unten war gut und dieses Bett ist bequem. Warum habe ich also immer noch Angst? Bin ich dumm?«
»Ganz und gar nicht«, antwortete das Medaillon. »Jemandem wie dir, der aus dem Land der Menschen kommt, muss es seltsam erscheinen. Es ist ganz natürlich, dass du Angst hast.«
»Du hast wahrscheinlich recht. Danke, Henry«, sagte Morag und legte den Kopf auf das weiche Kissen. Sie tastete nach dem Buch in ihrer Tasche und seine harten Kanten an ihrem Körper trösteten sie. Bevor sie ihrem neuen Beschützer auch nur Gute Nacht sagen konnte, war sie tief eingeschlafen.
»Gute Nacht, Morag«, murmelte das Medaillon leise.
Nebenan entschieden der Dodo, der Drache und die Ratte, in welchem der drei großen Betten wer schlafen würde. Während Bertie und Shona sich noch stritten, wurde ihr Gezänk von einem braunen Wirbel unterbrochen, der an ihnen vorbeistürzte und quiekte: »Ich hab das Bett am Fenster!«
Der Drache und der Dodo starrten Aldiss an, verblüfft über seine Kühnheit. Shona zuckte die Achseln und sprang in das nächste Bett. Bertie nahm das letzte. Kissen wurden aufgeschüttelt, sie kuschelten sich in die Federn und schon bald herrschte Schweigen. Ein Schnarchen und ein Schnauben zeigten an, dass sowohl Bertie als auch Shona schnell eingeschlafen waren. Von Aldiss kam kein Laut, aber auch er schlief – zu einem kleinen Ball zusammengerollt – tief und fest. Bis zum Morgen nahmen sie nichts mehr wahr.
Kapitel 9
Es war alles sehr schnell und vollkommen problemlos vonstattengegangen. Niemand ahnte, dass irgendetwas nicht stimmte, bis Morag spät am nächsten Morgen auf Shonas Klopfen an ihrer Tür nicht reagierte. Die Drachenfrau, die dachte, das Mädchen schlafe noch, drehte vorsichtig den Knauf und spähte durch die Tür. Die Vorhänge waren zugezogen, und das Bett, in dem Morag geschlafen hatte, war zerwühlt. Der Rest des Raumes war still und unberührt, aber weder von dem Mädchen noch von seinem
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