Morag und der magische Kristall
vergessen, dass Menschen nicht so lange lebten wie Drachen. Tränen stiegen in ihren großen gelben Augen auf. »Es tut mir so leid, das zu hören«, murmelte sie, während ein Tränentropfen über ihr schuppiges Gesicht rann.
Kyle nickte zustimmend und zog einen öligen Lumpen aus der Tasche und hielt ihn ihr als Taschentuch hin. Der Mann und der Drache teilten einen Augenblick der Erinnerung, bevor Bertie und Aldiss sie unterbrachen. Der Dodo und die Ratte hatten alles gehört.
»Shona«, sagte Bertie. »Es tut mir leid, lästig zu sein, ich weiß, du hast gerade traurige Neuigkeiten erhalten, aber Zeit ist von größter Wichtigkeit. Wenn Kyle uns nicht nach Murst bringt, müssen wir eine andere Möglichkeit finden, dort hinzukommen.«
Shona wischte sich eine Träne aus dem Auge, schnüffelte und stand auf.
»Du hast recht«, erwiderte sie. »Wir müssen aufbrechen.« Ohne sich noch einmal nach Kyle umzudrehen, stolzierte sie von der Brücke und gesellte sich zu ihren Freunden auf Deck.
»Warte!«, rief Kyle ihr nach. »Warte! Ich werde euch hinüberbringen!«
»Wirklich?«, schrie Shona begeistert. »Aber ich dachte , du wolltest keinen Drachen auf dem Boot haben!«
»Das war, bevor ich erfahren habe, dass du stubenrein bist!«, kicherte er. »Und ihr«, fügte er, an Bertie und Aldiss gewandt, hinzu, »sagt bitte Du zu mir, wenn ihr Shonas Freunde seid.«
Auf einem anderen Boot, weit draußen auf See, versteckte Morag sich. Sie hatte laute, schwere Schritte in der Nähe ihrer Kajütentür gehört, sich in Panik neben ihre Koje gezwängt und sich das Laken über den Kopf gezogen. Henry machte sehr vernichtende Bemerkungen über die Wahl ihres Verstecks.
»Oh, hier werden sie dich nie finden!«, sagte er sarkastisch.
»Meinst du?«, fragte sie mit vor Furcht klappernden Zähnen.
»Natürlich werden sie dich finden!«, blaffte er. »Dummes Mädchen. Dies ist die erste Stelle, an der sie nachsehen werden!«
Klonk, klonk, klonk. Stille. Die Schritte blieben vor der Tür stehen. Morag zog sich das Laken fester um den Kopf und schloss die Augen. Sie konnte jemanden mit etwas klimpern hören, das klang wie ein Bund Schlüssel an einer Kette. Ein Schlüssel wurde ins Schloss geschoben und mit einem lauten Kratzen umgedreht. Jemand klapperte an dem metallenen Türgriff und drückte die Tür auf. Sie quietschte laut. Klonk, klonk, klonk. Die Schritte kamen in die Kajüte. Morag hielt den Atem an. Das Herz hämmerte ihr laut in der Brust. Es schlug so heftig, dass sie glaubte, es würde ihr aus der Kehle springen. Sie zitterte und umklammerte Henry mit aller Kraft.
Die Schritte kamen näher und näher, bis sie Morags Versteck fast erreicht hatten. Näher und näher und lauter und lauter. Und dann blieben sie stehen. Jemand riss Morag das Laken vom Kopf und spähte in ihr erschrockenes Gesicht.
»Ah, da bist du ja!«, sagte eine sehr betagte Riesin. »Was machst du da unten?«, fragte sie freundlich. »Komm, hoch mit dir, steh auf.«
Sie hielt Morag eine Hand hin, und da diese nicht wusste, was sie sonst tun sollte, ergriff sie sie. Sie hatte nicht erwartet, dass die Schritte einer alten Dame gehörten. Sie hatte einen großen, kräftigen Mann erwartet oder ein Ungeheuer oder was auch immer, aber nicht dies. Die hochgewachsene alte Dame war überraschend stark und zog das verängstigte Mädchen flink auf die Füße.
»Jetzt setz dich, und dann bringe ich das Tablett herein«, sagte sie. Mit einer trägen Handbewegung bedeutete sie Morag, sich auf eine der Kojen zu setzen, aber das Mädchen war zu verblüfft, um sich zu bewegen. Langsam holten die letzten Stunden Morag ein. Sie wäre am liebsten weggelaufen und hätte sich versteckt, um nie mehr zurückzukehren, aber das ging natürlich nicht, da sie jetzt auf diesem Boot gefangen war.
»Setz dich!«, wiederholte die alte Dame scharf. »Tu, was man dir sagt, Kleine, und wir beide werden wunderbar miteinander auskommen. Tu es nicht, und wir beide werden einen Streit bekommen, und das wollen wir doch nicht. Verstehst du mich?«
Morag nickte benommen.
»Nun, dann setz dich, und ich werde dir dein Tablett holen.«
Ohne den Blick von der alten Frau abzuwenden, ließ Morag sich auf die nächste Koje sinken. Sie war plötzlich sehr müde, sehr aufgeregt und hätte am liebsten geweint, aber sie hielt die Tränen zurück.
Die alte Dame stapfte aus der Kajüte und kam wenige Sekunden später mit einem riesigen Tablett zurück, auf dem eine dampfende, heiße
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