Morbus Konstantin: Ein Steampunk-Roman (German Edition)
fragte: „Glauben Sie, dass Morbus Konstantin zu wahrer Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern führen kann, Lord Pembroke?“
Er war betroffen. „Das glaube ich nicht. Die hohe Sterberate macht es eher schwierig, die Krankheit als Motor für positive soziale Veränderungen zu sehen, Miss Skye. Aber ich nehme an, dass es sicherlich Leute gibt, die es für einen vertretbaren Verlust halten, wenn so viele Menschen sterben. Denen es nichts ausmacht, wenn bei einer Revolution viel Blut vergossen wird. Solchen Leuten käme die Krankheit wohl wie gerufen.“
Die Idee war Pimm plötzlich durch den Kopf geschossen. Vielleicht hatte das medizinische Wunder, das er zu Beginn der Nacht miterlebt hatte, seine Gedanken in diese Richtung gedrängt. Wenn man eine Tote zum Sprechen bringen konnte, warum könnte man dann nicht auch … „Was glauben Sie, woher die Krankheit stammt?“
Sie zuckte die Schultern. „Manche behaupten, dass sie von Konstantinopel aus nach London gebracht wurde, daher der Name. Allerdings wird meist noch nicht einmal spekuliert, wie sie dort entstanden sein könnte. Von manchen habe ich gehört, dass sie den Rauch, der aus den Fabriken strömt, für die Ursache halten, oder die alchemistischen Abfälle, die in den Fluss gekippt werden. Dass diese Stoffe in unser Trinkwasser sickern, uns vergiften, uns verändern. Manche Fische und Frösche können das Geschlecht wechseln, und ich habe mit Leuten gesprochen, die glaubten, dass diese Fähigkeit auf irgendeine Weise an uns Menschen weitergegeben wurde. Obwohl keiner der Erkrankten sich jemals wieder zurückverwandelt hat, soviel ich weiß. Es scheint, dass man immun gegen weitere Verheerungen durch die Krankheit wird, wenn man sie einmal überlebt hat. Natürlich gibt es dann noch die Menschen, die religiöser als ich sind und die Krankheit als eine Prüfung oder Strafe Gottes sehen.“
„Ich frage mich, ob sie vielleicht vorsätzlich in die Welt gesetzt wurde“, sinnierte Pimm.
Skyler sah schockiert aus. „Was um Himmels willen meinen Sie?“
Pimm zuckte die Achseln. „Heute Nacht waren Sie in der Nähe von Whitechapel. Das war ein Experiment, das gehörig schief ging. Sie haben doch von den schleimigen Geschöpfen in der Themse gehört, sogar darüber geschrieben. Von denen heißt es, sie seien ebenfalls das Ergebnis gewisser fehlgeschlagener Forschungen. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich bin ein großer Befürworter des wissenschaftlichen Fortschritts. Wie viele Leben hat die Keimtheorie gerettet! Dank unserer technischen Fortschritte floriert die Wirtschaft wie nie zuvor. Selbst arme Leute haben oft alchemistische Lampen in ihren Häusern. Trotzdem ist nicht jedes Experiment nützlich oder klug.“
„Wollen Sie damit andeuten, dass irgendjemand Morbus Konstantin geschaffen haben könnte? Dass jemand die Krankheit absichtlich auf die Bevölkerung losgelassen hat?“
„Ich vertreibe mir lediglich die Zeit damit, mich mit einer mir bekannten Dame zu unterhalten und vor mich hin zu spekulieren“, sagte Pimm. Die Droschke kam schlingernd zum Stehen, und der Kutscher pochte aufs Dach. „Da sind wir“, sagte Pimm fröhlich. „Wollen wir einen potentiellen Mörder wecken gehen, Jenkins?“
* * *
„Haben Sie eine Strategie?“, fragte Ellie. Lord Pembroke hatte den Droschkenkutscher angewiesen zu warten und ihm genügend Geld geboten, dass er klaglos einwilligte. Nun standen sie auf der Türschwelle, wo Ellie mehrere Monate zuvor allein und in ganz anderer Aufmachung gestanden hatte.
„Nein, aber ich habe den Bauch voll Brandy. Das und ein wenig Improvisation ist meiner Erfahrung nach genug, um mich durch den Tag zu bringen.“ Lord Pembroke pochte mit dem Griff seines Gehstocks an die Tür, stetig, laut und systematisch, länger als eine Minute.
Endlich hörten Sie von drinnen eine heisere Stimme rufen. Die Tür öffnete sich einen Spalt und offenbarte das Gesicht von Thaddeus Worth, dessen Haar in alle Richtungen abstand.
Er hatte seinen Bart abrasiert, seit Ellie ihn interviewt hatte, und sie zweifelte nicht mehr daran, dass er der Mann war, der sich früher am Abend in der Gasse an ihr vorbeigedrängt hatte.
„Mr. Worth?“, sagte Lord Pembroke so freundlich, als sei es heller Tag und dies ein angenehmer gesellschaftlicher Anlass.
„Zum Teufel, was ist hier los? Ich habe geschlafen.“
„Wirklich?“, sagte Lord Pembroke. „Wie wundervoll. Ich wünschte, ich wäre ebenfalls im Bett. Mein Name ist Pembroke Halliday.
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