Mord am Millionenhügel
zu unterdrücken, das in meine Kehle klomm.
»Ei jei«, sagte ich mühsam, »und abermals ei jei. Macht? Nun ja. Wahrheit? Oho. Die Pforte kenne ich unter anderen Bezeichnungen, und sagtest du ficht, mit Verlaub?«
»Ja, mit ch.«
»Und gleich zwei Blondinen? Wo bleibt da die Moral, von der Kondition gar nicht zu reden?«
Kleinlaut sagte er: »Also, hm, die Tochter geht gleich.«
»Wie? Mutter und Tochter? O diese Abgründe!«
»Du mißverstehst das, teurer Freund. Alles im Interesse der Sache. Die Tochter ist eine Freundin einer der Töchter dieses Abgeordneten, du weißt schon.«
»Baltasar, deine Ausreden werden immer beschaulicher. Und die Mutter?«
»Ist vierzig.«
»Und blond?«
»Ja. Ist das nicht furchtbar? Und sie plant Übles wider mich.«
»Ach nein, du armer Kleiner! Was will sie dir denn Leides tun?«
»Mir droht, fürchte ich, eine schwächende Verminderung meiner Leibesflüssigkeiten.«
»Nein, wie entsetzlich! Und im Interesse der Sache opferst du nicht nur Moral, sondern auch Ästhetik, dein Vorurteil gegen Blonde?«
»Kein Vorurteil. Ich spreche aus Erfahrung. Es ist ein Urteil
a posteriori
.«
»Auch noch
a posteriori!
Entzückend!«
Baltasar hustete erneut. »Du Faselhans«, sagte er böse, »du Schmutzfleck auf dem Latz meiner Freundschaften. Mit dir ist ja heute überhaupt nicht zu reden. Fahr dahin! Und lies meine Post. Bis nächste Woche!«
Bevor ich weiteren Spott ablassen konnte, hängte er ein. Ich ergab mich grinsend der Lektüre. Eine herrliche Zeit stand mir bevor: Baltasar würde eine Weile verschwinden, statt mich zu behelligen. Mit gutem Gewissen, bester Laune und Büchern begab ich mich früh zu Bett.
5. Kapitel
Die wunderlichen Wege der Bundespost bescherten mir Baltasars Freitagspost am Montag, zusammen mit einem kurzen Schrieb, den er samstags in der Frühe abgelassen hatte, ehe er sich auf seine geheimnisvolle Fahrt begab. Dieser Brief begann mit der Anrede »Elendes Hohngefäß!« und bestand im Wesentlichen aus unzusammenhängenden Beschimpfungen übelster Vorzüglichkeit sowie der lakonischen Mitteilung, falls ich Probleme hätte und mit der Lösung des Bürstenrätsels nicht voran käme, sollte ich mich an die Dame wenden.
Ich ahnte Böses, als ich die dickere Freitagspost öffnete. Dem Nach-Brief konnte ich bereits entnehmen, daß im ersten Schreiben Anweisungen zur weiteren Aktivität stecken mußten. So war es. Der Inhalt der Sendung bestand aus: einem kurzen Bericht über seinen Lokaltermin und die Beobachtungen und Schlüsse; von Moritz und ihm bisher ermittelten Daten einiger der in den Villen lebenden Personen; Fotokopien aus
Who's Who
und anderen Werken, betreffend einige weitere Personen; Kopien aus älteren Zeitungen oder Zeitschriften zu Personen und Vorgängen; der Anweisung, mich mit Moritz und Edgar kurzzuschließen und einige präzise Fragen zu klären; der Aufforderung, bestimmte weitere Personen ausfindig zu machen und zu erforschen. Schließlich teilte er mir noch mit, daß er namens des Statistischen Bundesamtes die Bewohner der Villenstraße auf meinen Besuch als Umfrager vorbereitet habe, und ich solle gefälligst Dienstag und Mittwoch auf diese Arbeit verwenden. Anliegend Umfragefragen.
Dieser feiste Satan hatte es tatsächlich fertiggebracht, Bundespapier mit Geier aufzutreiben, mehrere offiziös aussehende Fragenkataloge zu erstellen und – Höhepunkt seiner Machenschaften – einen auf meinen Namen lautenden Ausweis mit Bild und Stempel beizulegen, demzufolge ich berechtigt war, Fragen zu stellen und Diskretion zuzusichern.
Ich war ein bißchen erschlagen. Als aufgeklärter Staatsbürger weiß ich wohl, daß man, sogar in Bonn, für Geld alles bekommt. Mich erstaunte nicht, daß Baltasar offenbar Adressen kannte, und auch nicht, daß er vermutlich einige größere Lappen für die Kollektion hatte ausgeben müssen, vor der ich nun saß.
O nein, das war es nicht. Auch die Anzahl der Gesetze, die er seit Entwenden des abgelaufenen Passes von Haselmaus Brockmann gebrochen oder zumindest touchiert hatte, löste in mir keine Verwunderung aus. Wieso sollte er denn auch mit Gesetzen schonender verfahren als mit den Nerven seiner Freunde? Seine selbstverständliche Annahme, halb Bonn würde sich während seiner geheimen Reise die Schuhe durchlaufen, um kryptische Aufträge zu erfüllen, deren letzten Zweck keiner außer ihm kannte und deren Kontext alle für Unsinn hielten, war keineswegs verwunderlich, sondern typisch Matzbach.
Was
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