Mord am Millionenhügel
Plötzlich fiel mir noch etwas ein.
»Sag mal, was soll Edgar bei der Geschichte?«
»Warum? Hast du was gegen ihn?«
»Nein, er ist viel erträglicher als du. Ich wußte nur bisher nicht, daß er sich für Matzbachs Scherze aktiv interessiert. Sonst hatte er doch immer nur höhnische Kommentare bereit.«
»Na ja, diesmal eben nicht. Baltasar will ihn dabeihaben; mehr weiß ich auch nicht.«
»Und was ist mit der Frau?«
»Welcher Frau?«
»Baltasar hat die angebliche Mutter einer angeblichen Freundin einer Tochter eines angeblichen Lügners aufgetan, die angeblich was weiß.«
»Ach so, die. Nee, kenn ich nicht, ich weiß nur, was Matzbach mir geschrieben hat; daß wir sie notfalls befragen sollen.«
Den Rest des Tages verbrachte ich damit, daß ich Baltasars ausgetüftelten Fragebogen des Statistischen Bundesamts begrübelte. Er enthielt unter anderem eine Gruppe von Fragen zur Freizeitgestaltung, etwa ›Lesen Sie Krimis?‹ oder ›Nennen Sie bitte einige Fernsehsendungen, die Sie in der letzten Woche gesehen haben‹; außerdem ein paar unordentliche Verwirrfragen und eine ganze Seite von hohem Bildungswert: Fragen zu Ausbildung und Erinnerungen beziehungsweise Wertungen der besuchten Institute; Angaben über spezifische Vorlieben wie ›Was ist Ihr liebstes Musikstück‹; Aufforderungen, nach Diktat des Interviewers bestimmte Sätze zu schreiben, und so weiter. In einigen Fällen erriet ich Matzbachs finstere Absichten, andere Fragen waren eindeutig eingebaut, um den Anschein der amtlichen Untersuchung zu stärken. Einige Fragen allerdings waren mir mehr als rätselhaft und ergaben auch nach langem Denken keinerlei Sinn.
Nun ja, es wäre wohl auch zu viel verlangt, wenn man bei einem solchen Unternehmen, das Baltasars ständig kreißendem Hirn entschlüpft war, in jedem Detail Logik finden wollte.
Am späteren Nachmittag rief ich Ariane Binder an und verabredete mich mit ihr für den Abend des Mittwoch. Sie hatte eine sehr erweckende, leicht angerauhte Altstimme und war offensichtlich keineswegs überrascht über den Anruf. Natürlich hatte Baltasar, da sie schon eingeweiht war, sie auch auf mögliche Attacken seiner minderwertigen Freunde vorbereitet.
Anschließend ergab ich mich der Lektüre und wohnte der Aufklärung eines Rätsels bei, in deren Verlauf dem Inspektor Bony merkwürdige Objekte in die Leber gehext wurden.
Kurz vor dem Ende, sozusagen an der spannendsten Stelle, fiel Edgar Römertopf in meine Behausung ein. Er war auf Kaffee und Schach versessen.
Nachdem er mich furchtbar zerfetzt hatte – ich war allerdings, wie ich zu meiner Rechtfertigung anführen möchte, immer noch stark abgelenkt durch die Leber des Inspektors –, betrachtete er mich triumphierend.
»Nun«, sagte er höhnisch, »du Hobbykriminalist von Matzbachs Gnaden, wappne dich gegen den zweiten Schlag.«
Ich betrachtete ihn, wie er da vor mir saß, kurz und stämmig, mit Stupsnase und angewachsenen Ohrläppchen, ein Grinsen in seinem häßlichen Gesicht. Er muß irgendwelche verborgenen Eigenschaften haben, die mir in all den Jahren unserer Bekanntschaft nicht zu entschleiern waren. Sein Ruf (und Spitzname) als Ladykiller bezieht sich jedenfalls nicht darauf, daß ihm als Assistenzarzt der Gynäkologie in einem Bonner Krankenhaus viele Damen auf dem Operationstablett stürben.
Ruhig und beherrscht fragte ich ihn: »Wie machst du das eigentlich, daß sich trotz deines Gesichts ein paar Frauen von dir behandeln lassen? Der Masochismus muß doch weiter verbreitet sein ...«
Er schüttelte den Kopf und grinste erschreckend. »Sie kriegen mich nicht bewußt zu Gesicht, und unser Anästhesist ist ein Schönling.«
»Das erklärt vieles. Was ist mit deinem zweiten Schlag?«
Er zögerte einen Moment, dann gab er sich einen Ruck. »Baltasar behauptet, daß du in seiner Abwesenheit die Ermittlungen leitest, wie er sich auszudrücken beliebte. Ich sage dir das jetzt unter dem Siegel der Verschwiegenheit. Es ist mir etwas unangenehm ...«
»Was? Mit mir zu reden?«
»Das auch, du Dödel. Nein, es geht um ein Berufsgeheimnis.« Er zögerte wieder.
»Hm«, sagte ich, »ärztliche Schweigepflicht?«
»Genau. Ich kann dir, versteh das bitte, nicht sagen, von wem ich das habe. Wenn sich herausstellen sollte, daß an Baltasars Spinnerei etwas Wahres ist, kann das vielleicht nützlich sein. Wenn nichts bei eurer Ermittlung rauskommt, vergiß bitte alles, was ich dir jetzt sage.«
Ich versprach es. Ich muß zugeben, daß er
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