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Mord am Millionenhügel

Mord am Millionenhügel

Titel: Mord am Millionenhügel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Diele. Verglichen mit dem Luxus im Haus Morken war das Domizil des Professors karg und kalt. Die weitläufige Diele war ordentlich, aber rein funktionell eingerichtet.
    Die Haushälterin erschien wieder. »Kommen Sie bitte mit«, sagte sie.
    Ich ging hinter ihr her, durch einen Korridor, in dem ein Teppich die Schritte dämpfte, bis wir zu einem großen Raum kamen.
    »Die Herrschaften speisen«, sagte sie. Irrte ich mich, oder war da eine kleine Ironie?
    »Der Herr Professor meint, Sie möchten in seinem Arbeitszimmer warten. Kann ich Ihnen etwas anbieten? Es ist gerade Tee fertig.«
    Ich nahm dankend an; man kann ja, wenn man in einer Wüste wie Bonn lebt, nie genug trinken. Während sie den Tee holte, sah ich mich um. So ähnlich hatte ich mir das Arbeitszimmer eines Professors der Mikrobiologie vorgestellt. Bücher über Bücher an den Wänden, ein von Papieren überhäufter Schreibtisch, in einer Ecke eine Glastür zu einem kleinen, wahrscheinlich hermetisch verschlossenen und sicheren Minilabor. Die zahllosen Geräte, die dort standen, lagen oder hingen, konnte ich bestenfalls als irgendwie medizinisch oder irgendwie biologisch, jedenfalls irgendwie wissenschaftlich einstufen; meine Kenntnisse reichten gerade aus, um mit Sicherheit ein Mikroskop zu identifizieren.
    In der Mitte des Arbeitszimmers stand eine Art Trophäenschrank: ein Glaskasten, der sich etwa zwei Meter über einen gemauerten Sockel erhob und ausreichend geräumig war, um sieben Skelette zu bergen. Der Kasten verfügte über eine Schiebetür mit Sicherheitsschloß; ich konnte natürlich nicht widerstehen, aber die Tür war verschlossen. Die Skelette standen gestützt von hauchdünnen Metallstäben, wie Wanderer bei einer Diskussionspause im Forst.
    Ich stand noch immer andächtig vor den Skeletten, als die junge Dame mit dem Tee erschien.
    »Mögen Sie Skelette?« sagte sie, während sie das Tablett auf einen Beistelltisch neben dem großen Schreibtisch stellte.
    Ich runzelte die Stirn. »Na ja, nur mit Senf.«
    Sie kicherte. »Sagen Sie das nicht dem Herrn Professor; er liebt sie.«
    »Muß nett sein, so ein gemütliches Tête-à-tête mit Knochen, in lauschiger Dämmerstunde bei einem Schoppen.«
    Während sie sich lächelnd über den Teetisch beugte und mir eine Tasse eingoß, genoß ich es, mich beim Anblick erfreulicher Beine in einem kurzen Rock von den Skeletten zu erholen.
    »Arbeiten Sie schon lange hier?«
    Sie sah mich über die Schulter an. »Warum?«
    »Ach, nur so. Ich muß Sie übrigens auch interviewen.«
    Sie richtete sich auf und warf ihr halblanges Haar mit einer energischen Kopfbewegung zurück.
    »Das«, sagte sie halblaut, mit einem vorsichtigen Blick zur Tür, »schlagen Sie sich wohl besser aus dem Kopf.«
    »Wieso?«
    »Ich glaube kaum, daß der Herr Professor damit einverstanden ist.«
    Ich war ein wenig verwundert. »Warum sollte er nicht?«
    »Sie werden schon sehen.«
    »Wie auch immer, es ist meine Aufgabe, alle Mitglieder des Haushalts zu befragen, und eigentlich sind alle gesetzlich zur Auskunft verpflichtet.«
    In diesem Moment betrat der Professor das Zimmer. Er war ein großer, stattlicher Mann mit vollem grauen Haar und einem kantigen Gesicht. Ein Cäsarenkinn, dachte ich bei mir und erinnerte mich an Aufnahmen von Mussolini, ehe er in seinen letzten Tagen verfiel. Mit einer Handbewegung entließ er die Haushälterin, mit einer anderen deutete er auf den Stuhl, der vor seinem Schreibtisch stand. Als wir beide saßen, getrennt durch Tisch und Papiergebirge, streckte er die Hand fordernd aus und sah mich aus sehr kalten, fast unnatürlich hellen blauen Augen an.
    »Ihren Dienstausweis bitte!«
    Fast ein Befehl, fast im Kasernenhofton. Ich zog Baltasars Kunstwerk aus der Tasche und reichte es ihm wortlos. Er studierte den Wisch kurz und konzentriert, dann gab er ihn mir zurück.
    »Also schön, was wollen Sie?«
    Ich hielt meine kleine Rede, wie bei Morkens. Er verzog keine Miene, und ich gab schnell den Versuch auf, durch leichte Scherze Sympathie oder Einvernehmen zu heischen.
    Er lehnte sich zurück, legte die Hände zusammen und schloß die Augen, während ich sprach. Seine Finger waren lang und dünn, haarlos; schließlich sah er mich an und knurrte:
    »Nun gut, fangen Sie an. Aber machen Sie schnell.«
    Ich bemühte mich, seiner Aufforderung nachzukommen. Er strahlte eine eisige Kälte aus; ich konnte ihn mir sehr gut als makabren Sensenmann, in Schiefer geschnitzt, in der kalten Diele vorstellen. Als wir

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