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Mord am Mirador (Ein Gomera-Krimi) (German Edition)

Mord am Mirador (Ein Gomera-Krimi) (German Edition)

Titel: Mord am Mirador (Ein Gomera-Krimi) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisa Ellen
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laut und hektisch. Eine Frau schrie auf und fing an zu schluchzen. Sie und die anderen Gäste beugten sich über den Körper des Tischvorsitzenden, ein betagter Mann, der im Laufe des Abends eine kleine Ansprache gehalten hatte. Vermutlich war es seine Geburtstagsfeier gewesen. Er war in sich zusammengesackt. Sein Kopf lag seitwärts gedreht auf der Tischplatte, seine Arme hingen schlaff an beiden Seiten herunter.
    Obwohl es mir durch und durch zuwider war, folgte ich meinem natürlichen Impuls, sprang auf und eilte zu der Gruppe.
    „Ist was geschehen? Kann ich helfen? Ich bin Arzt.“
    Zehn Gesichter drehten sich mir zu.
    „Ein Arzt?“, sagte die ältere Dame, vermutlich die Frau des alten Mannes, „Gott sei Dank! Mein Mann ist eben kollabiert. Ganz plötzlich. Bitte helfen Sie ihm!“
    Ich wollte mich schon über den Mann beugen, da drängte sich Manuel dazwischen und sagte: „Das wird sicher nicht nötig sein. Wir haben den Notarzt schon alarmiert. Er wird sofort da sein. Kehren Sie bitte an Ihren Tisch zurück.“
    So etwas hatte ich noch nie erlebt. Ich war empört. Manuel konnte ja meinetwegen eifersüchtig auf mich sein, aber das ging entschieden zu weit. Hier ging es schließlich um Leben und Tod. Der Mann benötigte sofortige Hilfe.
    Ich schob ihn gewaltsam beiseite und beugte mich wieder über den Patienten. Doch als ich meine Hand an seine Halsschlagader legte, spürte ich keinen Puls mehr. Ich hielt meine Finger vor seinen Mund und merkte, das kein Atemzug ging. Es war ein eindeutiger Fall von Exitus.
    Trotzdem wollte ich nichts unversucht lassen.
    „Wir müssen ihn flach auf den Boden legen. Ich versuche eine Herzmassage und eine Mund-zu-Nase-Beatmung“, sagte ich.
    Doch wieder schritt Manuel ein. „Ich glaube nicht, dass Sie die Befugnis dazu haben. Ich muss Sie wieder energisch auffordern: Kehren Sie an Ihren Tisch zurück oder verlassen Sie lieber sofort dieses Lokal.“
    Ich war drauf und dran, ihm eine Tracht Prügel zu verpassen. Er hinderte mich möglicherweise daran, ein Leben zu retten. Was fiel ihm nur ein?
    Da platzte jedoch die Tür auf und ein Arzt und ein Rettungssanitäter stürmten in den Raum.
    Ich zog mich nun tatsächlich zurück. Mein Typ war offensichtlich nicht mehr verlangt. Aus einer gewissen Entfernung sah ich zu, wie der Arzt unbeholfene Rettungsversuche tätigte. Ich hätte das besser gemacht, dachte ich ärgerlich.
    Dann brachte man eine Trage hinein, lud den Patienten drauf und trug ihn hinaus. Das ging natürlich nicht über die Wendeltreppe, sondern man trug ihn durch die Betriebsräume davon, die anscheinend zu einem Tor für die Lieferanten führte. Im Saal hörte man, wie draußen eine Autosirene aufheulte, die sich schnell entfernte. Hatte der Tölpel von Arzt immer noch nicht begriffen, dass, Dank seiner Stümperei, der Patient offensichtlich tot war?
    Ich setzte mich erschüttert an meinen Platz zurück.
    Die Tischgesellschaft war wie gelähmt. Die alte Dame saß weinend da, wie ein Häufchen Elend. Um sie scharte sich die restliche Gruppe und bemühte sich, sie zu trösten.
    Jemand berührte meinen Ellenbogen. Es war Anita.
    „Ich habe in einer halben Stunde Feierabend“, sagte sie. „Begleitest du mich bitte, bitte nach Hause. Nur bis zur Haustür. Ich bin völlig fertig. Das war gerade alles so grässlich.“
    Ich griff nach ihrer schmalen Hand und drückte sie sanft.
    „Natürlich mache ich das Anita. Wenn du mir noch ein Glas Wasser bringen würdest, dann warte ich eben noch so lange.“
    Für mich war das noch ein beträchtlicher Umweg. Bis Las Hayas und zurück – das bedeutete noch fast eine Stunde, bis ich schlafen gehen konnte. Aber trotzdem freute ich mich darauf, mit Anita durch die einbrechende Nacht zu wandern.
     
    Wenig später schritten wir seit an seit die Straße entlang. Hinter Arure nahmen wir denselben Weg querfeldein, den ich neulich gegangen war.
    Es war eine helle Mondnacht, und so konnten wir gut erkennen, wo es entlang ging. Um uns herum dufteten die Blumen noch kräftiger als am Tag. Die Erde strahlte etwas Wärme ab und im Gestrüpp zirpten die Grillen unermüdlich vor sich hin.
    „Es ist so seltsam“, sagte Anita. „Der Mann sah kurz vorher noch so gesund aus, so glücklich. Er hatte seine ganze Familie nach Gomera eingeladen, stell dir vor, um mit ihr seinen achtzigsten Geburtstag zu feiern. Bevor du kamst, hatten sie schon für ihn ein Ständchen gesungen und ihn alle umarmt und beglückwünscht. Und nun ist er tot. Ich

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