Mord am Mirador (Ein Gomera-Krimi) (German Edition)
einer Spur sein, so viel kann ich dir verraten, doch dauert die Untersuchung noch ein, zwei Tage. Die Analyse ist recht mühsam.“
Ich sah sie an. „Was heißt: 'eine Spur'?“, fragte ich ungeduldig.
Sie schüttelte nur den Kopf. Dann sagte sie: „Kannst du mir etwas darüber sagen, wie du glaubst, dass die Person gestorben ist? Ist sie erstickt? Hatte sie sichtbare Vergiftungserscheinungen am Körper? Hatte sie sich kurz vorher noch erbrochen?“
Ich überlegte. Meiner Vermutung nach war das Gift, dass die Toten aus dem Acueducto eingenommen hatten, auch in ihr Essen hineingearbeitet gewesen.
Ich tippte auf dasselbe Gift. Nur hatte ich Anita nicht beim Sterben zugesehen. Ich konnte nur die Symptome schildern, von denen ich bei den Gästen wusste.
Ich antwortete: „Ich kann dir von Anitas eigentlichem Tod nichts sagen, nur soviel: sie hatte sich nicht erbrochen, denn es gab keine Spuren an ihrer Kleidung oder am Boden, es gab keine Anzeichen für einen Todeskampf, denn sie sah im Tod entspannt und friedlich aus, und auch keine äußeren Vergiftungserscheinungen. Wenn du meine Meinung als Arzt wissen willst, könnte es sich um ein Mittel handeln, das zu einem plötzlichen Herzstillstand geführt hat. Meine Annahme ist, dass sie von dem Keks abgebissen hatte, dann an der Mauer stand, um den Blick zu bewundern. Der Herzstillstand hat dazu geführt, dass sie die Balance verlor und über die Mauer fiel. Vielleicht hat sie ihren eigenen Sturz gar nicht mehr erlebt, weil sie effektiv schon tot war.“
Ich dachte an die Operculumkette. Ich dachte daran, dass der Verschluss noch intakt gewesen war, die Kette hingegen durchgebrochen. Am Ende war das Kleinod gar nicht an Anitas Tod Schuld. Vielleicht hatte sich die Kette beim Sturz an einen Ast verhakt und war abgerissen.
Isabella nickte wieder. „Ja“, sagte sie, „Das käme hin. Das würde sich mit meinen Vermutungen decken.“
„Welchen Vermutungen?“
„Dass es sich um ein Opiat handeln könnte. Ich denke an Morphin. Das würde sich gut untermischen lassen und hätte eine schnelle tödliche Wirkung. Es würde zwar leicht bitter schmecken, aber der süße Keks könnte das überdecken.“
Mich fröstelte. Ich musste an Anita denken, die jung, übermütig und voller Lebensfreude gewesen war. Nur ein Biss in ein unscheinbares Plätzchen war am Ende daran Schuld, dass sie gestorben war, dass ich sie nie wieder in meine Arme schließen würde und sie auf ihre roten Lippen küssen konnte.
Wie war sie dazu gekommen, in den Almandredo reinzubeißen? Hatte ihn ihr jemand bewusst in die Hand gedrückt, wohl wissend, dass er ihr Leben damit beenden würde? Oder hatte sie ihn in der Küche herumliegen sehen und gedacht, dass keiner es groß merken würde, wenn sie ihn eben wegknabberte?
Was würde ich darum geben, dass ich in dem Moment da gewesen wäre, um ihr in den Arm zu greifen, damit das, was unweigerlich geschehen musste, nicht eingetreten wäre!
Meine Gedanken wurden von Isabella unterbrochen, die etwas irritiert fragte: „Hörst du mir überhaupt zu?“
Ich rieb mir mit den flachen Handflächen über die Augen und entschuldigte mich.
„Ich war in meinen Gedanken gerade wo anders.“
Ihre Augen wurden wieder weich. „Tut mir Leid. Ich brabble dich hier total zu. Vielleicht sollten wir es erst einmal auf sich beruhen lassen. Ich mache meine Untersuchungen weiter und wir tauschen uns dann darüber in ein paar Tagen aus, ja?“
„Ja“, sagte ich, „ist in Ordnung.“ Doch dann kam mir eine Idee.
„Sag mal“, fragte ich sie, „wanderst du eigentlich gerne?“
Isabella bekam sofort leuchtende Augen. „Wahnsinnig gerne!“
„Hättest du Lust, mit mir morgen nach La Dama zu wandern?“
Isabella legte den Kopf auf eine Seite und sah mich nachdenklich an. Dann fragte sie: „ Ist das etwa ein Date oder so? Ich denke, du bist in Trauer um Anita?“
Ich schüttelte meinen Kopf. „Nein, kein Date. Es gibt nur etwas in La Dama, das ich für mich klären will. Dazu möchte ich möglichst unauffällig dort aufkreuzen. Wenn wir als Touristenpaar getarnt wären, müsste das klappen.“
„Ach so“, sagte Isabella, „klar doch.“
Täuschte ich mich, oder verfinsterte sich ihr Gesicht ein kleines bisschen?
Dann lächelte sie aber freundlich und sagte: „Gut. Morgen früh habe ich sowieso frei. Am Samstag kommt immer meine Vertretung. Ich werde mich als tolle Touristin verkleiden, du wirst begeistert sein.“
Wir machten einen Treffpunkt aus und
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