Mord am Oxford-Kanal
fluchen begonnen, sie zur Hölle gewünscht
und erklärt, er hasse und verabscheue ihren bloßen Anblick. Desungeachtet ging
Joanna wieder an Bord, wo ihr, wie der Wirt gesehen zu haben glaubte, ein Drink
angeboten wurde, und er meinte beobachtet zu haben, daß sie akzeptiert hatte.
Man darf seiner Aussage an diesem Punkt jedoch offenbar keinen Glauben
schenken, da Mr. Bartholomew Samuels, ein Arzt aus Oxford, nachdem man Joannas
Leiche gefunden hatte, unverzüglich eine Obduktion vorgenommen und keine Spur
von Alkohol hatte feststellen können. George Bloxham, der Kapitän eines nach
Norden fahrenden Pickford-Kahnes, sagte aus, daß er kurz unterhalb von Aynho
neben Oldfields Kahn längsseits gegangen sei und daß er und der Kapitän der Barbara
Bray, wie das so üblich sei, ein paar Worte miteinander gewechselt hätten.
Oldfield habe bei dieser Gelegenheit von einem weiblichen Passagier erzählt,
und zwar auf eine Art und Weise, die Bloxham als «abstoßend» bezeichnete, und
sei sich in obszönen Phantasien ergangen, was er im Laufe der Nacht mit ihr
anstellen wollte, sonst würde er sie umbringen und ihre Leiche verkaufen,
«genau wie Burke damals» 3 .
Bloxham hatte hinzugefügt, daß Oldfield sehr betrunken gewesen sei und daß auch
Musson und Towns «ziemlich hinüber» gewesen seien.
James Robson, der Wärter der
Schleuse bei Somerton, sagte aus, daß er und seine Frau Anna gegen Mitternacht
durch einen Schreckensschrei geweckt worden seien. Der Schrei sei aus der
Richtung der Schleuse gekommen. Zunächst hätten sie angenommen, daß ein sehr
kleines Kind geschrien habe, doch als sie aus dem Schlafzimmerfenster des
Schleusenwärterhauses geblickt hätten, hätten sie an Deck des Kahns Barbara
Bray ein paar Männer stehen sehen, und oben auf der Kabine habe eine junge
Frau gesessen, deren Beine über den Rand des Kahnes gehangen hätten. Die
Robsons konnten sich noch sehr deutlich an jede Einzelheit dieser schrecklichen
Nacht erinnern, deshalb war ihre Aussage für den Ausgang des Prozesses auch von
entscheidender Bedeutung. So wußten sie noch genau, daß Joanna geschrien habe:
«Ich will nicht hinunter! Faßt mich nicht an!» Danach habe einer von der
Mannschaft gebrüllt: «Gebt acht auf ihre Beine, gebt acht auf ihre Beine!» Dann
habe Joanna wieder angefangen zu schreien: «Was habt ihr mit meinen Schuhen
gemacht? Oh, bitte, sagt mir, was ihr mit meinen Schuhen gemacht habt!» Anna
Robson habe das Fenster geöffnet und die Männer gefragt, was los sei, und zur
Antwort erhalten, die junge Frau sei ein Passagier und habe Streit mit ihrem
gleichfalls an Bord sich befindenden Ehemann. Es gebe keinen Grund zur Sorge.
Das große Schleusenwärterhaus
mag in jener Nacht, wie es, einem strengen Wächter gleich, über dem dunklen
Wasser des Kanals aufragte, wenig einladend ausgesehen haben, dennoch hätte es
Joanna die Chance geboten, ihr Leben zu retten, wenn sie dort um Schutz gebeten
hätte.
Doch eine solche Bitte stellte
sie nicht.
Kurz nach dem Vorfall scheint
Joanna, wie schon vorher einmal, den Kahn verlassen zu haben, um den
Nachstellungen der betrunkenen Mannschaft zu entgehen, und ein Stück weit zu
Fuß auf dem Treidelpfad gegangen zu sein. Als der Kahn Gibraltar-Lock
erreichte, war sie jedoch bereits wieder an Bord. Unmittelbar nach Passieren
dieser Schleuse muß sie ein weiteres Mal vom Kahn geflüchtet sein, da ein
gewisser Robert Bond vom Kahn Isis aussagte, daß er ihr auf dem
Treidelpfad begegnet sei. Bond berichtete, wie überrascht er gewesen sei, zu so
später Stunde dort eine Frau ohne Begleitung zu treffen, und daß er sie gefragt
habe, ob alles in Ordnung sei. Sie habe nur kurz genickt und sei schnell
weitergegangen. Nachdem Bond wieder an Bord der Isis war, passierte sein
Kahn die Barbara Bray, und einer der Männer dort erkundigte sich, ob er,
Bond, auf dem Treidelpfad einer Frau begegnet sei. Der Mann habe dann noch ein
paar schmutzige Bemerkungen gemacht, was er mit ihr vorhabe, sobald er sie
wieder in seiner Gewalt hätte.
Niemand außer der
verbrecherischen Mannschaft der Barbara Bray sollte Joanna jemals wieder
lebend zu Gesicht bekommen.
Kapitel 11
«Mein
Ehrenwort, Watson, Sie spielen wunderbar mit. Das haben Sie wirklich wunderbar
gemacht. Sie haben zwar alles übersehen, was wichtig ist, aber Sie haben die
Methode getroffen...»
Sir
Arthur Conan Doyle, Eine Frage der Identität
Wie nach der Lektüre des ersten
Teils hatte Morse auch jetzt wieder
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