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Mord am Oxford-Kanal

Mord am Oxford-Kanal

Titel: Mord am Oxford-Kanal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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zahlreichen Diätassistentinnen an seinem Bett, eine etwas langweilig
aussehende, ernsthafte junge Frau, die ihm eine ganze Latte von Gemüsen mit
geringem Kaloriengehalt auf zählte, von denen er soviel essen konnte, wie er
wollte, als da waren: Spargel, Bambussprossen, dicke Bohnen, grüne Bohnen,
Stangenbohnen, Brokkoli, Rosenkohl, Weißkohl, Rotkohl, Blumenkohl,
Stangensellerie, Chicorée, Schnittlauch, Zucchini, Gurken und so weiter und so
weiter. Morse war so beeindruckt von der Aufzählung dieser schier
unerschöpflichen Möglichkeiten, daß er sogar ihre unglaubliche Behauptung,
sowohl Tomaten- wie auch Steckrübensaft sei eine wunderbar delikate wie auch
nahrhafte Alternative zu alkoholischen Getränken jeder Art, ohne Widerspruch
hinnahm. Ab und zu nickte er pflichtschuldig seine Zustimmung zu dem, was sie
sagte, wußte er doch im tiefsten Innern sehr genau, daß er tatsächlich in
nächster Zeit abnehmen wollte, sollte, ja mußte. Gleichsam als erstes Zeichen
für diesen Entschluß nahm er, als Violet gegen Mittag mit dem Essenswagen
herumfuhr, nur einen Schlag Kartoffeln und verzichtete auf die Soße.
    Am frühen Nachmittag, nachdem
er sich im Radio die Wiederholung der Archers-Sendung vom Vorabend angehört
hatte, streckte er sich wohlig in seinem Bett aus: kein Dienst im Präsidium,
keine Mühe mit dem Abendessen und keine aktuellen Sorgen und Bedrängnisse, es
sei denn eine gewisse Beunruhigung durch ein neu geschärftes Bewußtsein für die
eigene Hinfälligkeit und den Gedanken an den Tod. Doch diese Beunruhigung hielt
sich in Grenzen, wie er neulich Lewis zu erklären versucht hatte: Er besaß
keine Angehörigen mehr, niemand war von ihm abhängig, er konnte ganz sich
selbst und für die Befriedigung seiner Bedürfnisse leben. Und was er im Moment,
als er so frischgewaschen und gutgelaunt im Bett saß, wollte, war klar. Er
spürte in sich die Entdeckungslust eines Reisenden auf dem Oxford-Kanal. Das Blaue
Billett konnte ihm gestohlen bleiben. Was ihn reizte, war, den zweiten Teil
von Mord am Oxford-Kanal zu lesen.
     
     
     

Kapitel 10
     
     
    TEIL
ZWEI - EIN VERBRECHEN WIRD BEWIESEN
     
    Obwohl es damals bezüglich
einiger Einzelheiten widersprüchliche Aussagen gab, herrschte, was den Ablauf
der Ereignisse im ganzen anging, doch Übereinstimmung.
    Die ungefähr drei Meilen lange
Strecke auf dem Coventry-Kanal (heute eher dem Industrie-Archäologen als dem
Freund ländlicher Stille zum Besuch empfohlen) scheint man ohne irgendwelche
Zwischenfälle passiert zu haben. Es gibt Aussagen, daß der Kahn unterwegs
zweimal angelegt habe: bei dem Three Tuns Inn bei Fazely und weiter südlich bei
den Atherstone-Schleusen. Ebenfalls steht mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit fest, daß die Barbara Bray am Montag, dem 20. Juni,
ungefähr eine Stunde vor Mitternacht Hawkesbury Junction am nördlichen Ende des
Oxford-Kanals erreichte. Heutzutage beträgt die Entfernung zwischen Hawkesbury
Junction und Oxford ungefähr siebenundsiebzig Meilen, 1859 mag die Strecke ein
wenig länger gewesen sein. Man darf deshalb davon ausgehen, daß selbst bei
längeren Aufenthalten unterwegs der mit vier Männern doppelt besetzte Kahn Barbara
Bray für die Fahrt kaum länger als sechsunddreißig Stunden gebraucht haben
dürfte. Diese Annahme scheint auch tatsächlich zuzutreffen. Im folgenden soll
nun versucht werden, die entscheidenden nächsten Stunden zu rekonstruieren, und
zwar einmal vermittels der Zeugenaussagen in den beiden darauf folgenden
Prozessen (es gab nämlich zwei), zum anderen basierend auf späteren
Nachforschungen, die vom Verfasser selbst sowie anderen anhand der Unterlagen
der Oxford Canal Company sowie der Archive der Firma Pickford & Co.
durchgeführt wurden. Was nun die Beweise für das Vorliegen eines Verbrechens
angeht, so ist vor allen Dingen das ebenso tragische wie unumstößliche Faktum
zu nennen, daß am Mittwoch, dem 22. Juni, kurz nach halb sechs Uhr morgens
Joanna Franks’ Leiche im Oxford-Kanal aufgefunden wurde, und zwar in jenem
dreieckig geformten Abschnitt mit Namen Duke’s Cut, einem Abkürzungsweg zur
Themse hinüber, der im Jahre 1796 auf Veranlassung des vierten Herzogs von
Marlborough ausgehoben worden war. Er liegt zweieinhalb Meilen nördlich des
(damaligen) Kanalendes am Hayfield-Pier in Oxford.
    Lassen Sie uns jetzt jedoch
zunächst einen zeitlichen Sprung nach vom machen. Nach der Leichenschau im The Running
Horses Inn (inzwischen abgerissen, früher am Ende der

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