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Mord am Oxford-Kanal

Mord am Oxford-Kanal

Titel: Mord am Oxford-Kanal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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der Mannschaft ein lautstark geführter Wortwechsel
entwickelt hatte, und erinnerte sich auch daran, daß Joanna geschrien habe:
«Lassen Sie mich in Ruhe, ich will nichts mit Ihnen zu tun haben!» Zwei der
Männer (er meinte, es seien Oldfield und Musson gewesen) hätten sich Joanna
gegenüber einer sehr unflätigen Sprache bedient, gleichzeitig mußte er aber auf
Vorhaltung des Verteidigers einräumen, daß die Sprache fast aller Bootsleute
häufig das nötige Feingefühl vermissen lasse. Stevens war sich sicher, daß die
Mannschaft zu diesem Zeitpunkt unter Alkoholeinwirkung stand, und äußerte die
Überzeugung, daß sie sich offenbar über den Alkohol, den sie als Fracht mit
sich führten, hergemacht hätten. Bevor der Kahn wieder ablegte, hatte sich
Joanna Franks ein zweites Mal bei ihm über das Verhalten der Männer beklagt,
und Stevens hatte seinen Rat wiederholt, sie möge warten, bis sie in Oxford
sei, und dann die geeigneten Schritte unternehmen. In Oxford würde die Barbara
Bra y auf jeden Fall einen Aufenthalt haben, da ein Teil ihrer Fracht
bereits hier gelöscht werden sollte.
    Allem Anschein nach dauerte die
Fahrt nach Oxford Joanna jedoch zu lange, denn sie unternahm, wie wir hören
werden, bereits in Banbury, ungefähr zwölf Meilen weiter südlich, den Versuch,
den Rest ihrer Reise auf andere Art und Weise zurückzulegen. Matthew Laurenson,
Kaimeister auf Tooley’s Yard, erinnerte sich deutlich, daß Joanna «dringliche
Erkundigungen» eingezogen hatte über die Abfahrtszeit «direkter Kutschen nach
London sowie Kutschen von Oxford nach Banbury». Doch die Abfahrtszeiten waren
nicht günstig, und wieder erhielt Joanna den Rat, zu warten, bis sie in Oxford
sei, das jetzt nur noch zwanzig Meilen entfernt lag. Laurenson gab an, daß
seine Begegnung mit ihr irgendwann zwischen sechs Uhr dreißig und sieben Uhr
abends stattgefunden habe (es darf nicht überraschen, daß die Zeitangaben in
den Zeugenaussagen sich des öfteren nicht decken — wir dürfen daran erinnern,
daß der Mord bereits zehn Jahre zurücklag), und beschrieb ihre Stimmung auf
Befragen als «aufgeregt und ängstlich».
    Der Zufall wollte es, daß
Joanna für kurze Zeit an Bord weibliche Gesellschaft hatte, da Agnes Laurenson,
die Frau des Kaimeisters, auf der Barbara Bra y bis zur Schleuse nach
King’s Sutton, circa fünf Meilen entfernt, mitfuhr. Mrs. Laurenson wurde bei
dem Prozeß ebenfalls in den Zeugenstand gerufen. Sie konnte sich gut an Joanna
erinnern und daß diese «hektisch und erregt» gewirkt habe. Ob Joanna Alkohol zu
sich genommen hatte oder nicht, konnte sie nicht sagen, erklärte aber, daß sie
auf sie vollkommen nüchtern gewirkt habe — ganz im Gegensatz zu Oldfield und Musson
— und im übrigen deutlich in großer Angst um ihre persönliche Sicherheit
gewesen sei.
    Nachdem Mrs. Laurenson den Kahn
bei der Schleuse von King’s Sutton verlassen hatte, scheinen sich die
Ereignisse überstürzt zu haben. In diesem Zusammenhang war vor allem die
Aussage eines Gastwirtes, der den Crown & Castle bei Aynho (etwas
unterhalb von Banbury) bewirtschaftete, für die Angeklagten verhängnisvoll.
Nach den Worten des Wirtes hatte Joanna, nachdem Mrs. Laurenson wieder von Bord
gegangen war, es offenbar nicht länger gewagt, sich in Gesellschaft der
betrunkenen Seeleute länger an Bord aufzuhalten. Gegen zehn Uhr abends sei sie
in ziemlich aufgelöstem Zustand im Gasthaus aufgetaucht und habe berichtet, daß
sie solche Angst vor Übergriffen der betrunkenen Mannschaft gehabt habe, daß
sie, ungeachtet der späten Stunde, lieber zu Fuß den Treidelpfad
entlanggegangen sei, als an Bord zu bleiben, da ihr eine Gefährdung durch
Wegelagerer geringer erschienen sei als die Gefahr, die ihr von den Männern der Barbara Bray drohte. Sie hoffte, so habe sie gesagt, später, wenn die
Männer wieder etwas nüchterner wären, an Bord zurückkehren zu können. Der Wirt
bot ihr, während sie auf die Ankunft des Kahnes wartete, ein Glas Starkbier an,
doch sie lehnte dankend ab. Er behielt sie jedoch weiter im Auge und
beobachtete, daß sie, während sie am Rand des Kanals saß, heimlich ein Messer
hervorzog und am Algengitter des Schleusentores schärfte. (Wie sich später
herausstellte, hatte Musson einen Schnitt in der linken Wange, und es ist gut
möglich, daß er von ihrem Messer stammte.) Nachdem der Kahn am Kai von Aynho
festgemacht hatte, habe einer aus der Mannschaft (der Wirt wußte nicht, wer),
als er Joannas ansichtig wurde, zu

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