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Mord am Oxford-Kanal

Mord am Oxford-Kanal

Titel: Mord am Oxford-Kanal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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einfach, und es würde
ihr Freude machen, ihm noch einmal zu helfen. Und letzteres stimmte auch.
Gleich frühmorgens hatte sie eine Bekannte, die bei der Westgate Central
Library an der Auskunft arbeitete, angerufen und erfahren, daß die Jahrgänge
1859/60 von Jackson’s Oxford Journal sofort zugänglich seien. Wie lange
wollte sie sie ausleihen? Eine Stunde, zwei? Christine hielt eine Stunde für
ausreichend. Von halb elf bis halb zwölf also?
    Vielleicht hatte Morse ja doch
recht gehabt. So schwer, wie sie es sich vorgestellt hatte, war es jedenfalls
nicht.
     
     
    Kurz nach halb elf Uhr saß sie
im zweiten Stock der Bibliothek in der Ecke, die für Regionalgeschichte und
Studienzwecke reserviert war, auf einem Stuhl mit olivgrünem Plastiksitz, vor
sich ein Mikrofilmgerät, auf dessen senkrecht stehendem, ungefähr 60 cm breitem
Bildschirm nun die abgefilmten Zeitungsseiten erschienen, aufgeteilt in Spalten
von je 5 cm. Die Zeiten, wo man die zu Jahrgängen gebundenen, schweren
Zeitungsbände hatte herumschleppen müssen, waren wohl endgültig vorbei.
Irgendwie hatte Morse schon recht. «Kinderspiel». Die verschiedenen
Bedienungsknöpfe wie «Bildschärfe», «Vergrößerung», «Helligkeit» waren ihr alle
schon von einem hilfsbereiten jungen Bibliotheksangestellten eingestellt
worden, so daß sie nur noch in dem ihr gemäßen Tempo an der Kurbel zu drehen
brauchte, um Jackson’s Oxford Journal überfliegen zu können.
    Obwohl alles so unerwartet
einfach war, war Christine doch sehr erleichtert festzustellen, daß die Zeitung
nicht, wie sie befürchtet hatte, täglich, sondern nur wöchentlich erschienen
war, so daß sie die Berichte über den Prozeß von 1859 ziemlich schnell fand.
Sie machte sich von allem, was ihr wichtig schien, Notizen und wurde, genau wie
Morse, zunehmend neugieriger. Als sie mit Lesen beim April 1860 angelangt war,
dem Ende des zweiten Prozesses, war sie geradezu fasziniert. Am liebsten hätte
sie noch einmal zurückgedreht, um ein paar Dinge zu überprüfen, aber sie
merkte, daß das Starren auf den Bildschirm sie ermüdete. Die Buchstaben
begannen ihr schon vor den Augen zu tanzen, und sie wußte, daß es langsam Zeit
war, Schluß zu machen. Sie hatte ein paar interessante Details entdeckt, die
Morse vielleicht würde brauchen können. Das hoffte sie jedenfalls.
    Sie war gerade dabei, ihre
hastig hingekritzelten Notizen noch einmal zu überfliegen, um sicherzugehen,
daß sie sie später noch würde lesen können, als sie plötzlich eine bekannte
Stimme hörte. Der Mann stand am Schreibtisch der Auskunft.
    «Ja, im Rathaus habe ich es
schon versucht. Die haben nichts.»
    «Dann gehen Sie doch mal ins
Stadtarchiv. Das ist in der...»
    «Von dort komme ich ja gerade!»
    «Ach so!» Das Telefon
klingelte, und der Bibliotheksangestellte bat, ihn zu entschuldigen.
    Christine nahm ihre Notizzettel,
schaltete das Mikrofilmgerät aus und ging zum Tisch der Auskunft.
    «Wir sind uns gestern im
Radcliffe begegnet», begann sie.
    Sergeant Lewis lächelte ihr zu.
«Hallo.»
    «Es scheint, als hätte ich mehr
Glück als Sie, Sergeant.»
    Lewis verzog mißmutig das Gesicht.
«Die unerfreulichen Sachen muß immer ich machen. Ich weiß eigentlich gar nicht,
warum ich mich jedesmal darauf einlasse. Ich hätte heute nämlich frei.»
    «Ich auch.»
    Der Bibliothekar legte auf und
wandte sich wieder an Lewis. «Tut mir leid, daß ich Ihnen nicht helfen kann,
Sir. Aber wenn sie im Stadtarchiv nichts haben...»
    Lewis nickte. «Vielen Dank
auch.»
    Lewis und Christine waren schon
auf dem Weg zur Schwingtür, als der Angestellte plötzlich noch eine Idee hatte:
«Versuchen Sie es doch einmal auf dem Polizeipräsidium in St. Aldates», rief er
ihnen nach. «Ich habe gehört, daß während des Krieges eine Menge Dokumente und
Papiere dorthin ausgelagert worden sind.» (Fragt sich bloß, welchen Krieges,
dachte Lewis sarkastisch). «Vielleicht, daß Sie dort...»
    «Vielen Dank!»
    «Sie sind natürlich dort nicht
auf solche Anfragen eingestellt und deshalb vielleicht nicht besonders
entgegenkommend, aber wenn Sie das nicht abschreckt...»
    Lewis nickte.
    Das Telefon klingelte wieder,
und der Angestellte war mit einer neuen Anfrage beschäftigt.
    Allein in belebten Straßen war
ihr oft ein wenig unbehaglich, doch jetzt, als sie neben der untersetzten
Gestalt des Sergeants in Richtung Carfax ging, fühlte Christine sich angenehm
beschützt. Eine Kirchturmuhr schlug zwölf.
    «Kommen Sie noch mit auf ein
Glas

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