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Mord am Oxford-Kanal

Mord am Oxford-Kanal

Titel: Mord am Oxford-Kanal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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Holzbehälter eine angestoßene und an zwei Seiten schon gesplitterte
flache Kiste heraus, ungefähr 60 cm lang, 30 cm breit und 25 cm hoch, eine ziemlich
kleine Kiste also und gut zu tragen, da oben in der Mitte des Deckels eine
rechteckige kleine Kupferplatte eingelassen war, an der ein schön geformter,
halbrunder Griff, ebenfalls aus Kupfer, befestigt war. Doch was Lewis so in
Aufregung versetzt hatte, waren die Initialen, die in das Kupferplättchen
eingraviert waren: «J. D.» Lewis hatte Denistons Bericht nicht sehr aufmerksam
gelesen (er interessierte sich nicht besonders für derartige Beschreibungen von
Mordfällen), doch war ihm noch in Erinnerung, daß er von «zwei Kisten» sprach,
die Joanna mit sich geführt hätte und die vermutlich nach der Verhaftung der
Mannschaft der Barbara Bray in der Kabine sichergestellt worden waren.
Bis zu diesem Moment hatte sich Lewis unter «Kisten» Behälter vorgestellt, wie
man sie in Oxford jedesmal am Beginn der Trimester sieht, wenn die neue
Studentengeneration Einzug hält. Und war nicht sogar die Rede davon gewesen,
daß Joanna die Kisten getragen hatte? So wie der Griff aussah, war die
Kiste oft getragen worden, und der Name von Joannas erstem Ehemann hatte
Donavan gelautet.
    Constable Wright kam hinter
ihrem Schreibtisch hervor und kniete sich neben die Kiste. Die beiden kleinen
Haken links und rechts des Deckels ließen sich leicht aus den Ösen heben, und
das Schloß vorne war anscheinend offen, denn der Deckel ließ sich ohne
Schwierigkeit zurückklappen. Innen war die Kiste mit grünem Samt ausgeschlagen.
Sie enthielt eine kleine Segeltuchtasche, die mit gelber, inzwischen
verblichener Wolle eingestickt die Initialen «J. D.» trug.
    Lewis pfiff ein zweites Mal,
diesmal lauter.
    «Könnten wir... vielleicht...?»
Die Stimme versagte ihm fast vor Jagdeifer, und Constable Wright sah ihn einen
Augenblick lang überrascht an, bevor sie die Tasche langsam umdrehte, so daß
der Inhalt herausfiel. Ein kleiner, rostiger Schlüssel, ein Taschenkamm, ein
Blechlöffel, fünf Knöpfe, eine Häkelnadel, ein Briefchen Nähnadeln, ein
flaches, nicht sehr haltbar aussehendes Paar Schuhe und ein Baumwollschlüpfer.
    «Glauben Sie, daß ich die
Schuhe und den... äh... mitnehmen könnte?» fragte Lewis etwas verlegen.
    Constable Wright musterte ihn
mit unverhohlener Neugier.
    «Nicht für mich», beeilte sich
Lewis hinzuzufügen.
    «Nein?»
    «Für Morse — ich arbeite
nämlich für Morse.»
    «Soll das heißen, daß Morse in
seinem Alter plötzlich ein Wäschefetischist geworden ist?»
    «Kennen Sie ihn?»
    «Nein, aber ich hätte nichts
dagegen!»
    «Er ist momentan im
Krankenhaus, deshalb...»
    «Es heißt, daß er zuviel
trinkt.»
    «Ein bißchen zuviel vielleicht
schon», gab Lewis etwas unglücklich zu.
    «Kennen Sie ihn denn gut?»
    «Also richtig gut kennt ihn
keiner.»
    «Sie müssen unterschreiben...»
    «Kein Problem.»
    «...und versprechen, daß Sie
die Sachen auch wirklich wieder zurückbringen.»
    Lewis grinste. «Keine Sorge.
Die wären sowieso ein bißchen klein für mich — ich meine natürlich die Schuhe.»
    «Vom Schlüpfer gar nicht zu
reden», bemerkte Constable Wright nüchtern.
     
     
     

Kapitel 22
     
    Halt!
Tue nichts wegen deinem Namen! Ein Name ist etwas Unsicheres: darauf kannst du
nicht bauen!
     
    Bertolt
Brecht, Mann ist Mann
     
     
    Im Laufe des Samstags, während
Sergeant Lewis und Christine Greenaway seinetwegen einen Teil ihrer Freizeit
opferten, merkte Morse, daß er wirklich auf dem Weg der Genesung war.
Vielleicht hatte es damit zu tun, daß man ihm erlaubt hatte, nach dem
Mittagessen neues Terrain zu erobern, das heißt, nach eigener Lust und Laune
die Krankenhausflure zu durchwandern. So kam es, daß er gegen halb drei im
Aufenthaltsraum landete, der mit Sesseln, einem Farbfernseher, einem Tischkegelspiel
sowie einem Bücherregal ausgestattet war. Das Regal enthielt ein paar Dutzend
schon reichlich zerlesener Bücher sowie einen großen Stapel alter
Zeitschriften. Das oberste Heft war eine Ausgabe von Country Life, die
Augustnummer von vor neun Jahren. Der Raum lag verlassen, und nachdem Morse
sich zur Vorsicht noch einmal umgeschaut hatte, warf er eines der drei Bücher,
das er bei sich hatte, rasch entschlossen in den Papierkorb. Das Blaue
Billett hatte ihn bisher nur in Verlegenheit gebracht und ihm Demütigungen
eingetragen; jetzt, nachdem er es los war, fühlte er sich wie ein Pilger, der
am Ziel seiner Reise angekommen,

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