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Mord am Oxford-Kanal

Mord am Oxford-Kanal

Titel: Mord am Oxford-Kanal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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entfernt davon, das
Spiel aufzugeben, im Gegenteil sich sozusagen an die Spitze der Jagd setzte
(voller Eifer und ganz ernsthaft), um einem (davon war Lewis überzeugt)
lediglich imaginären Fuchs nachzujagen, war, wenn auch nicht ganz ungewohnt, so
doch für Lewis jedesmal wieder aufs neue verstörend.
    «Sehen Sie, Lewis», sagte Morse
und kam, ohne sich lange mit irgendwelchen Erklärungen aufzuhalten, gleich zur
Sache, «dies ist eines der geschicktesten und elegantesten Täuschungsmanöver,
die mir je untergekommen sind. Die Widersprüchlichkeiten dieses Falles, oder
jedenfalls die meisten, lösen sich sofort auf, wenn wir uns trauen, in den
Bereich der spekulativen Unwahrscheinlichkeit vorzustoßen.»
    «Ich habe keine Ahnung, wovon
Sie überhaupt reden», sagte Lewis mit einem Unterton von Bockigkeit.
    «Ich auch nicht», sagte Morse
fröhlich. «Aber versuchen Sie doch trotzdem einmal, sich darauf einzulassen.
Sie haben, nehme ich an, das Gefühl, Sie tappten im dunkeln. Macht nichts, wir
alle tappen im dunkeln. Erst mal. Auch ich habe im dunkeln getappt, bis ich
noch einen Schritt weitergegangen bin, sozusagen noch tiefer ins Dunkel hinein
— und auf einmal stand ich im hellen Sonnenlicht.»
    «Schön für Sie», kommentierte
Lewis sarkastisch.
    «Also es war folgendermaßen.
Als ich die Geschichte las, spürte ich so ein diffuses Unbehagen. Vor allem die
Identifizierung der Leiche einzig durch ihren Mann schien mir irgendwie nicht
geheuer — so etwas würde heute kein Polizeibeamter mehr akzeptieren, das wissen
Sie so gut wie ich. Aber ein noch wesentlicherer Grund für meine Skepsis war,
daß das Ganze psychologisch nicht stimmig war, ich denke da vor allem...»
    «Sir!» (Lewis mußte schon sehr
frustriert sein, um seinem Chef derart energisch ins Wort zu fallen). «Ersparen
Sie mir doch bitte diesen ganzen psychologischen Kram, damit liegen mir schon
die Sozialarbeiter den ganzen Tag in den Ohren. Können Sie es nicht ganz
einfach erzählen, ohne...»
    «Ich langweile Sie, ist es das,
was Sie sagen wollen?»
    «Ja, Sir», sagte Lewis mit
fester Stimme.
    Morse nickte gleichmütig. «Gut,
dann also einfach. Ich liege im Krankenhaus und lese eine Geschichte. Sie
beginnt mich zu interessieren. Ich meine, wohlgemerkt, meine, daß die
falschen Leute für die Tat verhaftet und hingerichtet worden sind. Wie ich schon
sagte, vor allem die Identifizierung erschien mir reichlich dubios, und dann
diese Sache, daß die Schiffer verdächtigt wurden, Joanna Franks vergewaltigt zu
haben... Also, ich hatte das Gefühl, als ob da irgend etwas nicht stimmte.
Sehen Sie...»
    «Sie sagten, Sie wollten es einfach erzählen!» erinnerte ihn Lewis. Morse seufzte. «Ja. Also ich dachte, daß
Joannas Vater... Nein, nein, so geht es nicht. Noch mal von vorne. Joannas
Vater bekommt eine Arbeit als Versicherungsagent. Wie die meisten Leute in einer
solchen Stellung versucht er natürlich, auch die eigenen Angehörigen zu einem
Abschluß zu überreden. Er bekommt dafür Provision, und schließlich ist so eine
Versicherung ja eine reelle Angelegenheit. Ich denke, daß es ihm bald gelungen
ist, auch Joanna und ihren ersten Mann, diesen großen Zauberkünstler, dazu zu
bringen, sich bei ihm versichern zu lassen. Dann kommen harte Zeiten und
schließlich, 1858, noch ein zusätzlicher, schwerer Schicksalsschlag, als Mr.
Donavan, «Kaiser aller Illusionskünstler», während eines Ferienaufenthalts in
Irland stirbt. Als Joannas Schmerz allmählich nachläßt, realisiert sie, daß
sich Donavans Lebensversicherung für sie reichlich ausgezahlt hat. Sie erhält
nämlich infolge seines Todes an die hundert Pfund plus Zinsen. Und das, obwohl
sie die Versicherung erst zwei oder drei Jahre zuvor abgeschlossen hatte. Gut
hundert Pfund waren Mitte des letzten Jahrhunderts eine beträchtliche Summe,
und vielleicht ist Joanna schon zu diesem Zeitpunkt auf die Idee gekommen, ob
sich nicht — mit etwas Nachhelfen, versteht sich — der Geldsegen noch einmal
wiederholen ließe. Oder mit anderen Worten: Joanna betrachtete auf einmal den
Abschluß einer Versicherung nicht mehr als Quelle eines eventuellen Gewinns in
der Zukunft, sondern als Geldquelle für hier und jetzt. Es ist deshalb nur
konsequent, daß sie, als sie kurz nach Donavans Tod einen gewissen Charles
Franks kennenlernt und ihn heiratet, ihn bald dazu drängt, eine Versicherung
abzuschließen, allerdings nicht auf sein, sondern auf ihr Leben. Ihr Vater
tritt, wie auch beim erstenmal, als

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