Mord am Vesuv
befanden sich die städtischen Wachen, die uns begleitet hatten, alle möglichen Magistrate Baiaes und andere wichtige Bürger der Stadt, inklusive ihrer Frauen, und natürlich der unvermeidliche Pöbel, den jede Schandtat und jeder Skandal magisch anzieht.
»Ist es wahr, Praetor?«, meldete sich Manius Silva zu Wort.
»Wurde Gaeto wirklich umgebracht?« Er schien immer noch verstimmt über meine Verhandlungsführung vom Vormittag.
»Er ist so tot wie Achilles«, bestätigte ich und studierte in den Gesichtern der Versammelten aufmerksam die Reaktionen.
Einige schienen völlig ungerührt, anderen war Erleichterung anzusehen, unter ihnen Silva und Norbanus. Rutilia wirkte geradezu entzückt, doch man darf nicht vergessen, dass einige Menschen einen Mord als unterhaltsame Abwechslung empfinden. Sie wandte sich zu ihrer Freundin Qua-drilla und raunte ihr hinter vorgehaltener Hand etwas zu. Quadrilla blickte ziemlich verbissen, und was immer Rutilia ihr auch gesagt hatte, vermochte ihren grimmigen Gesichtsausdruck nicht zu ändern.
Irgendwie seltsam, fand ich, aber vielleicht hatte sie ja auch nur einen noch größeren Saphir im Bauchnabel, der ihr gerade zu schaffen machte.
»Jetzt hört mir mal alle gut zu!«, wandte ich mich an die Menge. »Allmählich arten die Zustände hier ein bisschen aus.
Bloß weil Mord und Totschlag in Rom an der Tagesordnung sind, müsst ihr noch lange nicht glauben, dass ihr es uns darin gleichtun müsst.«
»Er wurde bestimmt von seiner eigenen lebenden Handelsware beseitigt«, sagte der Schmuckhändler Publilius.
»Keine wilden Spekulationen, bitte!«, ordnete ich an. »Ich werde den Fall gründlich untersuchen und den Mörder vor Gericht stellen.«
»Wenigstens war es kein Vater- oder Muttermord«, stellte Rutilia fest. »Das hätte uns auch noch den Zorn der Götter beschert.« Die Menge bedachte ihre Bemerkung mit einem bestätigenden Gegluckse. Normalerweise hatte ich ein offenes Ohr für geistreiche Bemerkungen, doch im Moment war ich dafür nicht in der Stimmung.
»Da kommt die trauernde Witwe«, verkündete Quadrilla.
Tatsächlich sah ich in der Ferne eine Sänfte über den Felsvorsprung näher kommen. Die Träger wurden offenbar zur Eile angetrieben, denn bereits wenige Augenblicke später wurde die Sänfte direkt vor mir abgesetzt, und im nächsten Moment stieg Jocasta aus. Ihr flammendes Haar war eine wallende Mähne, ihre Kleidung war verrutscht. Sie sah sich einmal wild nach allen Seiten um und nahm dann mich ins Visier.
»Wie es aussieht, ist es also wahr«, stellte sie mit bebender Stimme fest. »Mein Mann ist tot. Ermordet.« Ihre Augen waren trocken, aber aus ihnen sprach blanke Wut.
»Leider hast du Recht«, bestätigte ich.
»Du weißt genau, dass es der Priester war«, brachte sie mit zusammengebissenen Zähnen hervor. »Weil er an den Sohn nicht herankommen konnte, hat er den Vater umgebracht. Lass ihn sofort festnehmen!«
»Davon weiß ich nichts. Du hast mein aufrichtiges Beileid, Jocasta, aber vielleicht darf ich dich daran erinnern, dass dein Ehemann jede Menge Feinde hatte. Allein auf diesem Anwesen gibt es Hunderte davon.« Bei diesen Worten zeigte ich mit dem Daumen hinter mich auf die Mauer. »Ich verspreche dir, ich werde herausfinden, wer deinen Mann umgebracht hat. Und egal ob es ein Sklave war oder ein Freigelassener oder ein freigeborener Bürger - er wird seine gerechte Strafe erhalten.«
Sie fauchte wütend, holte einmal tief Luft und nahm ihre gesamte Würde zusammen. Die Trauerbekundung griechischer Frauen kann ziemlich exzentrische Züge annehmen, doch den Römern wollte sie ein derartiges Schauspiel nicht bieten. »Ich will ihn sehen«, verlangte sie daher bestimmt.
»Dafür brauchst du von niemandem eine Erlaubnis«, entgegnete ich, woraufhin sie, ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen, davon-schritt und hinter dem Tor verschwand.
»Und ihr«, wandte ich mich an die Menge, »geht jetzt nach Hause und widmet euch euren Geschäften! Es handelt sich nur um einen weiteren schlimmen Zwischenfall, und es nützt nichts, wenn dessen Aufklärung durch wüste Spekulationen unnötig behindert wird!«
Man sah ihnen an, dass sie meine Vorgehensweise keineswegs billigten, aber sie hüteten sich vor lautstarken Protesten. Ich war der Mann mit Imperium und Liktoren.
Inzwischen waren auch meine Rechtsberater eingetroffen, und ich winkte den Ältesten unter ihnen zu mir.
»Publius Severus«, wandte ich mich an ihn, »ich bitte dich und
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