Mord am Vesuv
Wirkung zeigte. Julia und ich setzten uns ebenfalls, während Hermes und Marcus hinter uns stehen blieben.
»Nun hört mir mal zu, ihr beiden«, begann ich. »Ich brauche dringend ein paar Informationen. Ich werde euch keinerlei Strafen androhen, aber ich erwarte, dass ihr uneingeschränkt mit mir zusammenarbeitet. Das ist auch für euch beide der sicherere Weg. Habt ihr mich verstanden?«
Leto nickte schweigend, Gaia brachte ein schwaches »Ja«
heraus.
»Wir werden euch auf keinen Fall zu Diocles zurückschicken«, versprach Julia ihnen mit entschiedener Stimme. »Ihr steht als wichtige Zeugen unter unserem Schutz.
Anschließend wird mein Mann euch dem Staat übergeben, und dann kann ich euch kaufen und euch hier im Haus eine einfache Arbeit zuweisen. Glaubt mir, mein Mann kann das wirklich veranlassen. Er ist ein römischer Magistrat. Aber ihr müsst ihm auf seine Fragen ehrlich und aufrichtig antworten.«
Julias Worte schienen sie zu beruhigen. »Was willst du wissen?«, fragte Gaia, diesmal mit etwas festerer Stimme. Sie musste schon als sehr kleines Mädchen verschleppt worden oder in Gefangenschaft zur Welt gekommen sein, denn sie sprach ein absolut akzentfreies Latein.
»Als Erstes will ich wissen«, erwiderte ich, »was Charmian verbrochen hat.«
»Sie hat unserer jungen Herrin Gorgo geholfen«, antwortete Leto. Es waren ihre ersten Worte, auch wenn sie ein wenig teilnahmslos wirkten. »Wenn Gorgo nachts das Haus verlassen hat, ist Charmian vorgegangen und hat sich vergewissert, dass die Luft rein ist. Ich habe manchmal in Gorgos Bett geschlafen, damit es so aussah, als ob sie da wäre.«
»Charmian hat auch die Geschenke versteckt, mit denen die Herrin oft zurückkam«, ergänzte Gaia. »Wenn Gorgo nicht weg konnte, hat Char-mian den … den Besucher informiert.«
»Hat Gorgo sich mit einem Liebhaber getroffen?«, fragte Julia. Beide Mädchen nickten. »Wie oft?«
»Fast jede Nacht«, erwiderte Gaia.
»Immer mit demselben?«, fragte ich. »Oder gab es zwei verschiedene? Oder sogar noch mehr?«
»Das hat sie uns nie gesagt«, erwiderte Gaia. »Nur Charmian hat alles gewusst, und die hat es uns auch nicht erzählt. Die beiden waren fast wie Schwestern.«
»Ich glaube, es gab mehr als einen«, sagte Leto mit schwacher Stimme.
»Wie kommst du darauf?«, hakte ich nach.
Trotz ihres benommenen Zustands wurde sie rot. »Manchmal, wenn ich in ihrem Bett geschlafen habe, legte sie sich einfach zu mir. Und in einigen Nächten, nun … sie roch eben nicht immer gleich.«
Nach dem letzten Wort sank ihr Kopf auf die Brust, und fast im selben Augenblick war sie auch schon eingeschlafen. Sie saß immer noch auf dem Stuhl und hielt nach wie vor Gaias Hand.
»Das hat sie mir nie erzählt«, sagte Gaia.
»Nur noch eine Frage, dann kannst du auch schlafen«, versuchte ich sie wachzuhalten. »Wie hast du Charmian geholfen zu entkommen?«
»Ich habe ihr immer das Essen gebracht. Sie hat mich angefleht, ihr zu helfen. Sie hat gesagt, wenn sie noch einmal so ausgepeitscht wird, ist das ihr Ende, und ich wusste, dass sie Recht hatte. Sie hat dem Priester nichts verraten und bei den Göttern geschworen, dass sie lieber sterben würde, als ihm etwas zu sagen. Er wusste, dass sie ihm etwas verheimlichte, und hat nur darauf gewartet, dass sie sich ein bisschen erholt, damit er sie erneut auspeitschen lassen kann.«
Sie machte eine kurze Pause und kämpfte mit aller Kraft gegen den Schlaf an. »Vorgestern Nacht hatte sie sich so weit erholt, dass sie wieder gehen und notfalls sogar rennen konnte.
Wir haben uns aus dem Tempel geschlichen, sind durch den Olivenhain bis zur Quelle gegangen, und dort ist sie losgerannt.«
»Weißt du, wo sie hingelaufen ist?«, fragte ich. »Und hat sie dir gesagt, bei wem sie sich verstecken wollte?«
»Sie hat nur gesagt, dass sie in Baiae einen Freund habe und dass sie dort sicher sei.«
»Und du bist dann zum Tempel zurückgekehrt und hast so getan, als wäre sie noch in der Zelle?«
»Ja. Diocles hat sich zwar nicht lange täuschen lassen, aber immerhin habe ich ihr für die Flucht ein wenig Zeit verschafft.«
»Gaia«, ergriff Julia noch einmal das Wort, »warum hat Charmian Gorgo in der Mordnacht nicht begleitet?«
»Das hat sie ja, aber Gorgo hat sie angewiesen, am Rande des Olivenhains zu warten und nicht mit zur Quelle zu gehen.«
»Hatte Charmian schon öfter dort gewartet?«, hakte Julia nach.
»Ich weiß es nicht, aber ich glaube nicht …« Mit diesen Worten
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