Mord am Vesuv
feierten die Reiter, als hätten sie gerade ein fremdes Reich erobert. Dass sie unter Pompeius' Befehl standen, tat hier nichts zur Sache, schließlich waren wir in Kampanien und damit in einer von Pompeius' Hochburgen.
Das Forum war bereits seit dem frühen Morgen überfüllt.
Keiner wollte sich den Prozess entgehen lassen, und nicht nur die Einwohner Baiaes waren herbeigeströmt, auch aus den umliegenden Städten und Dörfern waren etliche Schaulustige gekommen. Sie waren bereits am Vortag zu den Festlichkeiten angereist und hatten ihren Aufenthalt um einen Tag verlängert, um das juristische Schauspiel, von dem die ganze Gegend seit Tagen sprach, mit eigenen Augen zu verfolgen.
Meine Liktoren bahnten mir einen Weg durch die Menge, und ich nahm auf dem Podium auf meinem kurulischen Stuhl Platz.
Mein Nicken setzte die Prozedur mit den erforderlichen Opfern und der Deutung der Omen in Gang. Zu meiner Erleichterung verzichteten die Auguren darauf, die Lebern der geopferten Tiere zu untersuchen. Da wir uns so weit südlich befanden, war der etruskische Einfluss nicht besonders groß. In Rom hingegen, das an Tuscien grenzte, war das Lesen aus den Lebern von Opfertieren eine regelrechte Seuche. In Baiae hingegen deuteten die Auguren die Opfer auf dezente Weise, indem sie den Flug und das Futterverhalten der Vögel studierten und aus der Richtung der Blitze und dem Grollen des Donners ihre Schlüsse zogen. Welcher Methoden auch immer sie sich bedienten, jedenfalls kamen sie zu dem Schluss, dass die Omen günstig waren und wir mit dem Prozess beginnen konnten.
Als Gelon, von einer Eskorte meiner Männer begleitet, auf dem Forum einritt, erhob sich ein lautes Zischen; von allen Seiten wurde er mit wüsten Flüchen bedacht. Hätte die Menge über ihn zu urteilen gehabt, wäre er bereits jetzt ein toter Mann gewesen. Neben ihm ritt Tiro. Die beiden hatten am vergangenen Tag beieinander gehockt und die Verteidigungsstrategie vorbereitet. Tiro sah sehr zuversichtlich aus, aber die Ausstrahlung von Siegesgewissheit zeichnet bekanntlich jeden guten Anwalt aus.
Neben mir hatten es sich die Geschworenen gemütlich gemacht, gut vierzig selbstzufrieden aussehende Equites, die ausdruckslos mit den Furcht erregenden Formeln vor den Göttern ihre Unparteilichkeit beschworen hatten, in der beglückenden Gewissheit freilich, dass auch die Götter bestechlich waren.
Einer meiner Liktoren führte die zahlreichen Zeugen auf die für sie vorgesehenen Bänke, unter ihnen Diocles, den Apollopriester, einige nervös aussehende Tempelsklaven und Jocasta. Als ich gerade mit dem Prozess beginnen wollte, tauchte ein Mann in einer weißen Tunika auf. Er trug den roten, geschwungenen Reisehut des Merkur auf dem Kopf, hielt einen kleinen goldenen Merkurstab hoch, und an seinen Sandalen waren kleine silberne Flügel angebracht. Die Menge machte eine Gasse und ließ ihn durch zum Podium, wo er seinem Täschchen, das er über die Schulter geworfen hatte, eine kleine Schriftrolle entnahm. »Entsprechend der Anordnung des gegenwärtig in Baiae Gericht haltenden Praetors Peregrinus De-cius Caecilius Metellus«, verkündete er, »übersendet der Tempel der Juno der Beschützerin von Cumae hiermit dieses Schriftstück!«
Hermes nahm die Schriftrolle entgegen und ließ sie unter seiner Tunika verschwinden. Dann drückte er dem Boten ein paar Münzen in die Hand. Begleitet vom neugierigen Gemurmel der Menge, die sich fragte, was das zu bedeuten hatte, kam er zu mir zurück.
Mit einer Handbewegung gebot ich Schweigen. Dann nickte ich dem jungen Marcus zu, woraufhin er gemessenen Schrittes vortrat. Wie er dastand, war er die personifizierte römische gravitas. Sein Arm war mit einem gewaltigen Verband versehen, den seine harmlose Wunde mitnichten rechtfertigte.
»Bürger von Baiae!«, rief er. »Schenkt mir eure Aufmerksamkeit! Heute verhandelt der Praetor Peregrinus über den Fall des Gelon, Sohn von Gaeto dem Numider, angeklagt des Mordes an Gorgo, der Tochter des Diocles, dem Priester des Tempels des kampanischen Apollo. Lang lebe der Senat und das römische Volk!«
»Die Anwälte zu mir!«, ordnete ich an, worauf die Vertreter der Verteidigung und der Anklage an meinen kurulischen Stuhl kamen. Mit einem Nicken erteilte ich Tiro das Wort. Er drehte sich dem Volk zu und hob, die Handfläche dem Himmel zugewandt, seinen rechten Arm.
»Ich schwöre bei Jupiter, dem Größten und Mächtigsten, dem Wächter über die Gerechtigkeit und Beschützer der
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